Full text: Nordwestdeutschland (Band 5)

Hildesheim — 204 — 
daß gerade dieser Bau uns geblieben ist. Er stand an der Spitze 
der Kunstbewegung seiner Zeit, das erste abgeklärte Ergebnis 
der durch das 9, und 10. Jh. gehenden langsamen Wandlung vom 
„Aaltchristlichen‘‘ zum „romanischen“ Stil. (Nach Kautzsch An- 
lehnung an St. Riquier in der Normandie?), . 
Anlage. Flachgedeckte, stützenwechselnde Basl. mit doppeltem 
Chor, doppelten Querhäusern, doppelten Vierungstürmen, fron- 
talen Treppentürmen an jedem Qhs., im ganzen 6 Türme. Die 
Chöre sind nicht mehr in ursp. Gestalt und werden deshalb später 
gesondert beschrieben werden. Ohne sie beträgt die L. 47 m (mit 
ihnen 69 m). Die L. des Msch. 28 m, die L. der Qsch. 29,5 m, 
die Br. der Sschiffe 6 m, die Br. des Msch. 8,6 m, die H. des Msch. 
16 m. Historisch sei bemerkt, daß Ansätze zu der hier gegebenen 
Erweiterung des Basilikengrundrisses schon früher in der Bau- 
kunst des 9. und 10. Jh. vorgekommen waren; eine so vollständige 
Durchführung des Gruppenprinzips noch nicht. Und niemals 
wieder ist dem Innenraum einer flachgedeckten Basl. so viel 
rhythmischer Reichtum der Unterteilungen abgewonnen worden. 
In der Regel besteht zwischen den geschlossenen Wänden des 
Qhs. und den in Arkk, aufgelösten des Lhs. ein Gegensatz nicht 
ohne Härte. In S. Michael aber wird das Ark.Motiv auch von 
den Querhäusern aufgenommen: eine Doppelark. vermittelt 
zwischen ihnen und den Lhs.Sschiffen; eine zweite Doppelark. 
an jedem Qhs.Ende trägt eine 4teil. Empore und diese eine zweite, 
niedrigere mit 6 Bg.Stellungen. Das Msch. bildet gleich den 
Qschiffen in der Grundfläche eine Summe von 3 Quadraten. Die 
Eckpunkte durch Pfll. markiert, zwischen ihnen je 2 SIl. Für den 
dreizähligen Rhythmus des Stützenwechsels das erste gesicherte 
Beispiel. Der Emporenaufbau in den Kreuzarmen ist ein der 
Zeit auch sonst nicht unbekannter Gedanke (vgl. S. Peter in 
Werden, 8. Pantaleon in Köln), doch nirgends wieder räumlich 
so gut gelöst wie hier. Die kürzlich ausgeführte Wiederherstel- 
lung des SArmes im WQsch. gestattet den räumlichen Schönheits- 
wert dieses Teiles voll zu würdigen. Die liturgische Erklärung 
der Emporen geben die in jeder vorhandenen nach O gerichteten 
Altarnischen. Die nicht unbequem ansteigenden Wendeltreppen 
liegen in 8eck. Türmen in der Mitte der Qsch.Fronten. Voll- 
ständig auf unsere Zeit gekommen die Emporen am NFlügel des 
w Qhs. Im OQsch. nur die Erdgeschosse unversehrt. Eine offene 
Frage bleibt, ob die Vierungstürme als Laternen dienten; ältere 
Abbildungen zeigen sie 4eckig, niedrig, reich befenstert. — Die 
Hochwand des Msch. nicht aus dem ersten Bau, also in der Zahl 
der Fenster für diesen nicht beweisend. Das Raumbild ist un- 
verändert geblieben; es ist das ruhigste und feierlichste, das wir 
in dieser Architekturform besitzen. 
Einzelheiten. In der Bernwardschen Säule gelangt der Um- 
gestaltungsprozeß von der antiken zur rom. zum erstenmal zu 
einem reifen und selbstbewußten Ergebnis; nur gewisse Einzel- 
heiten sind von der Antike übernommen, die Proportionen neu 
yestaltet. Die fast klassisch gebildete attische Basis ruht auf
	        
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