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Versuch 61. In’ einen der in Versuch 59 mit Stickoxyd gefüllten Zylinder
gibt man etwa 30—40 Tropfen Schwefelkohlenstoff, verschließt rasch wieder, schüt-
telt um und führt in die offene Mündung des Zylinders einen brennenden Holzspan
sin; sofort schlägt unter pfeifendem Geräusch durch den ganzen Zylinder eine blen-
lende blaue Flamme, die sehr reich an chemisch wirksamen Strahlen ist, Es lassen
3ich z. B. bei diesem Stickoxyd-Schwefelkohlenstofflicht photographische Aufnahmen
machen,
Stickstoffdioxyd, NO,, auch Sfickstofftetroxyd N,O,. Die Verbindung
N,O4 ist nur in niederer Temperatur beständig und zerfällt beim Er-
wärmen mehr und mehr in NO:
N;O, ZZ 2 NO,
Da N,O, farblos, NO, tief braunrot ist, so macht sich der Grad des Zerfalls
schon durch die Farbe bemerklich; je weiter in NO,-Molekeln dissoziiert, desto
lunkler, Der Vorgang ist, wie die Pfeile zeigen, umkehrbar.
Dieses Gas wird durch direkte Vereinigung von Stickoxyd mit
Sauerstoff erhalten, wie schon im Versuch 60 gezeigt wurde. Es hat
einen unangenehmen Geruch und wirkt stark gi/tig. Einen Teil seines
Sauerstoffes gibt es leicht wieder ab und ist daher ein kräftiges Oxyda-
:üonsmittel. Mit Wasser bildet es Salpetersäure und Stickoxyd (s. u.).
Technische Verwendung der Stickoxyde. Die beiden sehr reaktions-
fähigen Oxyde des Stickstoffs NO und NO, finden ihre technische An-
wendung in zwei wichtigen Prozessen der chemischen Großindustrie,
1ämlich:
ı) Bei der Fabrikation der Schwefelsäure nach dem Bleikammer-
verfahren dienen sie als »Sauerstoffüberträger«, indem das Dioxyd NO,
die Hälfte seines Sauerstoffs zur Oxydation von H,SO, zu H,SO, ab-
gibt und das entstandene NO dann aus der Luft wieder Sauerstoff auf-
nimmt unter Wiederbildung von NO,, das seinerseits von neuem 0xy-
lierend auf H„SO, wirkt usf. (Näheres s. u. Schwefelsäure.)
2) Zur Darstellung von Salpetersäure aus Luft. Dieses noch junge
‚echnische Verfahren gründet sich auf schon im Vorhergehenden er-
wähnte Reaktionen. Es sind im wesentlichen folgende:
A. Salpetersäure direkt aus Luft. a) Bildung von Stickoxyd aus
dem Stickstoff und Sauerstoff der Luft in der Hitze (ca. 3000°% großer
alektrischer Flammen (S. 112):
" N, +0, zZ 2NO — 43200 kal.
Nach dem Verfahren der Norweger Birkeland und Eyde wird der elek-
trische Flammenbogen im Felde eines starken Elektromagneten zu einer Flammen-
scheibe von 2 Meter Durchmesser verbreitert, nach dem von Schönherr zu einer
Länge von 5 Metern auseinandergezogen. Die Luft wird in sehr raschem Strome
vorbeigeführt, so daß die Gase schnell abgekühlt werden; bei langsamerer Kühlung
würde das entstandene Stickoxyd wieder im Sinne des unteren Pfeiles zerfallen. Auch
im günstigsten Falle enthält die so behandelte Luft nur wenige Prozente NO.