Full text: Einleitung in das Studium der Chemie

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ZEHNTES KAPITEL. 
Avogadro’s Hypothese. — Molekulargewichte. — Molekularformeln. — 
Valenz. ; ; 
Avogadro’s Hypothese. Es wurde schon oben (S. 106) angeführt, 
daß die Gewichte gleicher Raumteile von Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff 
und Stickstoff sich wie ihre Verbindungsgewichte verhalten, und daß che- 
mische Vorgänge zwischen Gasen sich immer %ach ganzzsahligen, ratio- 
nalen Raumteilen derselben abspielen (Gesetz von Gay-Lussac, vgl. 
auch S. 123); die nämliche Wahrnehmung wurde bei anderen Gasen ge- 
macht. Diese Tatsache, zusammengenommen mit gewissen physikalischen 
Eigenschaften der Gase, namentlich ihrem gleichmäßigen Verhalten gegen 
Druck und Temperatur, führte 1811 den italienischen Physiker Amedeo 
Avogadro zu der Annahme, daß gleiche Volume aller Gase (bei gleichem 
Druck und gleicher Temperatur) eine gleiche Anzahl Molekeln enthalten; 
eine logische Folgerung aus diesem Satze ist, daß die Molekel irgend 
sines Gases den gleichen Raum erfüllt, wie diejenige eines anderen. Unter 
Molekel begreift Avogadro das kleinste Teilchen einer Substanz, das im 
Gaszustande existiert, einerlei ob die Substanz eine Verbindung oder ein 
Element ist. Es ist der obige Satz als Avogadro’s Hypothese bekannt 
und bildet eine der wichtigsten Grundlagen unserer heutigen chemischen 
Anschauungen. 
So gestattet er die Ermittelung des ‚Molekulargewichts aus der 
Dampfdichte, denn es folgt aus ihm als logische Konsequenz: 
Die Dampfdichten verhalten sich wie die Molekulargewichte. 
Angenommen, ein bestimmter Raumteil eines Gases. enthielte die 
Zahl n an Molekeln vom relativen Gewichte (= Molekulargewicht) g', so 
muß ein. gleicher Raumteil eines anderen Gases ebenfalls n Mole- 
keln, diesmal vom Molekulargewicht g”, dieses letzteren enthalten; die 
Gewichte beider Gasvolumina verhalten sich demnach wie n X g':n x g” 
also auch wie die Molekulargewichte g’: g”. 
Kennt man daher ein möglichst sicher bestimmtes Molekulargewicht, 
so kann man alle übrigen auf dieses als Norm beziehen. 
Hierzu eignet sich z. B. der Chlorwasserstoff, denn wie die Analyse ergeben 
hat, enthält er seine Bestandieile im Verhältnis von 35.46 Gewichtsteilen Chlor auf
	        
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