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Versuch 37. Man schneidet ein Stück Filtrierpapier von etwa 3 cm Breite
ınd 20 bis 25 cm Länge zurecht und. gießt einige Tropfen gelinde erwärmtes Ter-
aentinöl darauf. Senkt man diesen Streifen in ein mit Chlor gefülltes Gefäß ein, so
gewahrt man das Aufleuchten einer Flamme und die Entstehung einer schwarzen
Wolke von Ruß (fein zerteiltem Kohlenstoff). Die Reaktion hat ihren Grund in
der großen Verwandtschaft des Chlors zum Wasserstoff, Das Terpentinöl besteht
aus Kohlenstoff und Wasserstoff; die hauptsächliche Einwirkung des Chlors besteht
in der Herausnahme von Wasserstoff aus dieser Verbindung, wobei sich Chlorwasser-
stoff bildet. Dieser Versuch zeigt die energische Wirkungsweise des Chlors gegen
>rganische Substanzen.
Bleichen mit Chlor. Es wurde schon (S. 75) gezeigt, daß das Chlor
bei Gegenwart von Feuchtigkeit bleicht, bei Abwesenheit derselben aber
nicht. Der Grund dieser Tatsache ist wichtig. Wohl wirkt das Chlor
direkt auf manche Farbstoffe ein und verwandelt sie in ungefärbte Kör-
per, in vielen Fällen aber rührt die Zerstörung der Farbe von Sauerstoff
her, welcher durch die Einwirkung des Chlors aus dem Wasser frei-
zemacht wird. Chlor zersetzt, namentlich im direkten Sonnenlichte, das
Wasser nach der. Gleichung:
2 Cl + H,O = 2HC1+ 0.
Der so abgeschiedene Sauerstoff ist im Augenblicke des Freiwerdens
weit aktiver als im gewöhnlichen Gaszustande, und er ist es, der auf die
Farbstoffe einwirkt und sie in ungefärbte Körper überführt. In diesen
Fällen wirkt das Chlor zxdirekt oxydierend, denn es vermittelt, obwohl
selbst nicht sauerstoffhaltig, die Uebertragung von Sauerstoff auf oxy-
dable Körper.
In der Technik findet das Chlor eine ausgedehnte Anwendung, so
als energisches, wenn auch etwas brutales Bleichmittel, ferner als wirk-
sames Desinfektionsmittel und in der Teerfarbenindustrie 'als ein wich-
:iges Reagens,
Chloride. Wie man die Verbindungen des Sauerstoffs (Oxygenium)
nit anderen Elementen Oxyde nennt, so heißen die Verbindungen des
Chlors ‚mit den übrigen Elementen CAloride. Die Chloride werden analog
den Oxyden benannt. Der Name desjenigen Elementes, das mit dem
Chlor verbunden ist, wird vorangestellt; so heißt die Verbindung aus
Zink und Chlor, ZnCl,, Zinkchlorid, jene aus Natrium und Chlor, NaCl,
Natriumchlorid usw.
Chlorwasserstoff, HCl, ist die einzige Verbindung, welche Chlor und
Wasserstoff miteinander zu bilden vermögen. Mischt man gleiche Volume
der beiden Gase zusammen und läßt die Mischung an einem ganz dun-
keln Orte stehen, so findet keine nachweisbare Einwirkung statt; schon
im zerstreuten Tageslichte geht aber eine allmähliche Vereinigung beider
zu Chlorwasserstoff vor sich, und fällt das direkte Sonnenlicht auch nur