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Gerichtlich-chemische Untersuchungen,
Nach vorstehenden Paragraphen der Straf-Process-Ordnung könnte es
scheinen, als könne jeder mit der Chemie sich öffentlich Beschäftigende
(Lehrer, Apotheker, Docent, Gewerbechemiker) zur Uebernahme gerichtlich
chemischer Arbeiten ohne weiteres verpflichtet werden ; dem ist aber nicht
30; wenn der Betreffende auf die an ihn seitens des Richters ergangene
Aufforderung zur Leistung einer Untersuchung erklärt, er sei nicht im
Stande aus irgend welchen Gründen (Mangel an passenden Localitäten und
Einrichtungen, fehlender Uebung u. dgl.) die ihm aufgetragene Arbeit zu
übernehmen, so wird stets diese Weigerung als berechtigt angesehen und
der Betreffende von der Ausführung der Arbeiten entbunden werden.
Wie schwierig die Untersuchungen von Leichentheilen und dergleichen
auf Gift sind, liegt auf der Hand und ist es deshalb nicht oft genug zu
3mpfehlen, vor der Uebernahme solcher Untersuchungen , von deren Aus-
gang meistens die Existenz eines Menschen abhängig ist, sich Klarheit
Jarüber zu verschaffen, ob man auch vollkommen im Stande sei, Fragen
von so weitgehender Bedeutung zu beantworten und alle den Verpflichtungen,
die durch Ausführung einer solchen Arbeit übernommen werden ; zu ge-
nügen. — Man muss die Körper, auf die man bei der Untersuchung zu
fahnden und deren Identität man festzustellen hat, selbst genau kennen
und ihren Nachweis in früheren Untersuchungen des Oefteren bereits
durchgeführt haben, man muss eben, wie Mohr sehr richtig sagt, an. der
Untersuchung nicht lernen wollen, sondern das bereits Gelernte an-
wenden.
Ist doch der Begriff „Gift“ selbst ein äusserst weiter, ein unmöglich
scharf zu definirender, da Körper, welche an und für sich als durchaus un-
schädlich angesehen werden müssen, unter gewissen Bedingungen eine ausge-
sprochene giftige Wirkung haben können und alsdann ihr Nachweis vom
Chemiker gerichtlicherseits gefordert wird; in diesem Sinne droht auch
das Preussische Strafgesetzbuch demjenigen Strafe an, der einem Andern
vorsätzlich Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu
zerstören geeignet sind; oder dem, der vorsätzlich Brunnen- oder Wasser-
behälter, die zum Gebrauch anderer dienen, oder Waaren, die zum öffent-
lichen Verkauf oder Verbrauch bestimmt sind, vergiftet oder denselben Stoffe
beimischt, von denen ihm bekannt ist, dass sie die menschliche Gesund-
heit zu zerstören geeignet sind, ingleichen wer solche vergifteten oder mit
zefährlichen Stoffen vermischte Sachen wissentlich und mit Verschweigung
dieser Figenschaften verkauft oder feilhält.
Wenn also der Chemiker Kenntniss aller der unter diese Definition
fallenden Körper besitzen muss, um deren Nachweis mit Sicherheit liefern
zu können, so hat er andererseits, nach Uebernahme der Arbeit, die dabei
erforderlichen Vorschriften auf das Strengste inne zu halten.
Kr hat sich bei Uebernahme der Untersuchungsobjecte davon zu