Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

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begründet. Es ändert sich Alles, aber ein Ertrag wird nicht ge— 
wonnen. Die Welt erschlafft unter der stets sich erneuernden Ar— 
beit. Das scheinbare Ende des einen Uebels ist die Voraussetzung 
des andern?2). — Jedenfalls Aeußerungen, welche unrichtig ver— 
werthet werden würden, wenn man aus denselben auf ein ferti⸗ 
ges System verständiger Weltanschauung schließen wollte. Dazu 
sind dieselben viel zu sporadisch, momentan, aus der wandelbaren 
Stimmung eines Autors entsprungen, welchem alles Andere eher 
zugeschrieben werden kann, als Sicherheit der Ueberzeugung. Aber 
zgrade in Betracht des Mangels derselben, des Zweckes dieser 
Confessionen sind sie um so charakteristischer. Wenn man erwägt, 
daß es ein Papst ist, welcher durch dergleichen gerührt werden 
soll, so darf man darin den Beweis für den sittlichen Indifferen⸗— 
tismus in den höchsten clericalen Kreisen in Rom sehen. Denn 
was hätte dieser Petent lieber gethan als alles vermieden, was 
Anstoß hätte erregen können? — Dazu kannte er die Zustände 
daselbst zu gut, als daß er, durch die Stimmung verführt, im An— 
schlagen des Tones sich hätte vergreifen sollen. Zwischen Vul— 
zgarius und dem Hochpriester, dessen Huld er suchte, war, was die 
Stellung zur christlichen Weltbetrachtung betrifft, vielleicht kein 
Unterschied. Wie diese geartet sei, wie nicht, wußte wohl weder 
der eine noch der andere recht zu sagen; dergleichen ließ sich nicht, 
wie die Formeln der Kirchenlehre, die Verse der römischen Poe— 
ten auswendig lernen. Also mengte man Beides zusammen als 
Beweis der Harmonie des Christenthums und der Bildung, wenn 
man Gelegenheit hatte sich zu äußern; daneben aber hatte man 
seine eigenen Gedanken: eudämonistische, fatalistische, superstitiöse, 
wie dergleichen die augenblickliche Lebenslage motivirte. Die Ten— 
denz zeigte sich nur insofern fest, als sie gleichgütig gegen das 
Christenthum war. Eine rationelle Kritik der Dogmen oder gar 
der Offenbarung lag denen fern, in welchen die kleinen Interessen 
des Daseins das Fragen nach der Wahrheit fast erstickten. — 
Was konnte es da helfen, daß die Cluniacenser 30) nach 
Zweites Buch: IV.
	        
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