79
welchen die meisten empfingen, war anziehend und abstoßend zu—
gleich, in der Mischung von beiden ein unheimlicher«). Dieser
geniale Sonderling war freilich nicht jener Zauberer, von welchem
eine spätere Zeit fabeltes), aber ein wissenschaftlicher Eroberer, ein
Aufklärer ersten Ranges allerdings.
Darum zählte er nicht zu jenen Halbwissern, welche nichts
Angelegentlicheres thun zu können meinen, als die ferigen und
doch unreifen Erkenntnißsätze der Masse aufzudringen. Eine aristo—
kratische Natur, wie er war, wollte Gerbert durch die Wissenschaft
selbst dieser eine Gemeinde bilden. Die Methode wurde die Weihe
der Jüngerschaft. Also war es nicht ein Vielerlei von Lehren, was
er mittheilte. Ein Totalorganismus des Wissens ward nach und
nach enthüllt, ein System natürlicher Weltanschauung vor den
Augen der entzückten Schüler aufgebaut, rationell und empirisch,
kritisch und dialektisch. Die Gesetze der Natur und der Sprache,
die Regeln des vernünftigen Denkens zu begreifen, dazu wollte
er anleiten, — nicht durchweg in eiteler Originalitätssucht erneu—
ernd, vielmehr entschlossen zunächst mit den schon in dem classi—
schen Alterthum bereiteten Mitteln zu wuchern. — An seinen
großen Namen knüpft sich die Grinnerung an eine neue Epoche
der Bildung, die Episode der Renaissances) in dem Wendepunkte
zweier Jahrhunderte. Unermüdlich war er beschäftigt Hand—
schriften?) der alten Autoren zu sammelns), Briefe über Briefe
zu schreiben, um für den höchsten Preis ein Exemplar des Cäsar
oder des Sueton oder des Manilius oder des Victorinus oder
des Cicero zu gewinnen ). Was hätte er sehnlicher gewünscht
als ungestört in ungeschmälerter Muße den Werth dieser und
anderer wissenschaftlicher Schätze würdigen zu können? — Aber
der große Forscher war zugleich der mittheilsame Pädagog. Die
Schule zu Rheims ward durch ihn die fruchtbare Anstalt, welche
den verhältnißmäßigen Antheil an der Meisterschaft erblich machen
sollte durch Kenntniß der Methode 10). Da lernten die Zuhörer
in der geeigneten Stufenfolge des Unterrichts 11) allmählich die
Zweites Buch: V.