Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

34 
Zweites Buch: V. 
sich anzuschmiegen, um sie desto allseitiger zu verwerthen. Das 
eine Mal entscheidet die Ueberzeugung, das andere Mal die 
egoistische Erwägung. Das Amt bestimmte die Tendenz. Aber 
der diplomatische Rechner blieb derselbe, sicher endlich das Facit 
ziehen zu können, welches in seinem römischen Pontificate sich ergab. 
Derselbe hat vielleicht dazu gedient, den Eindruck, welchen 
die grellen Antinomien27) seines Lebens machten, zu steigern. Der 
Heros der Aufklärung wurde der Repräsentant der auf über⸗ 
natürlichem Fundamente basirten geistlichen Autorität und blieb 
doch, was es bisher gewesen war. Der nämliche, welcher als 
Papst die überschwängliche, über alles Weltliche erhabene Würde 
des Priesterthums verkündigte?s) und in Worten eines verzückten 
Sehers das Bild des heiligen Landes als der Urstätte des Heils 
enthülltez20), hörte nicht auf, der die Gesetze dieser Welt erfor⸗ 
schende, der Bildung des Alterthums in der Weise des Boöthius0) 
schätzende Gelehrte zu sein. 
Das Kaiserthum Otto's III. schien diese doppelte Richtung 
zu der bewegenden Macht des ganzen Zeitalters machen zu wollen. 
Antikes und Christliches, Griechisches und Römisches, religiöse 
Ueberschwänglichkeit und aufgeklärte Kritik sollten die Elemente 
sein, welche eine großartige Neuschöpfung harmonisch stimmte. 
Statt dessen ist es zu einer kurzen Episode gekommen, in welcher 
die Disharmonie der Gegensätze, durch den Haß der Italiener 
zegen die Deutschen geschärft, nur um so schroffer hervorbrach. 
Dergleichen mochte wohl eine überreizte Natur wie die des jungen 
Kaisers ertragen, welchem es Bedürfniß war, mit Gedanken an 
ein glänzendes Weltregiment und an eine asketische Weltentsagung 
zu wechseln, sich vorzustellen, daß er auf dieser Erde herrsche, und 
zugleich als ein Angehöriger des Jenseits sich zu fühlen; eine 
rulturgeschichtliche Institution, welche die Gewähr der Dauer für 
sich hätte, ließ sich auf solche Excentricitäten nicht gründen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.