Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

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Wenn auch nicht als Führer der Philosophie, so doch als Lieb— 
haber der Weisheit ward er selbst von Italienern gepriesen?2). 
Trotzdem hatte sich schon damals das zukünftige Uebergewicht 
Frankreichs angekündigt: die hier einheimischen feinen Sitten 
wurden bereits von Deutschen auf der einen Seite gepriesen, auf 
der andern als Trübungen der guten alten Gewohnheiten be— 
klagtz28). Anderswo hatten diejenigen einen schweren Stand 
gehabt, welche den Anspruch auf Bildung nicht durch den Nach— 
weis stützen konnten, in Frankreich studirt zu haben?). Und als 
drei Decennien später die Abendmahls-Controverse die Gedanken 
heschäftigte, konnte man nicht mehr zweifeln, daß die wissenschaft— 
liche Hegemonie in Philosophie und Theologie auf Frankreich 
ibergehen werde. — War doch das, was daselbst schon in der 
zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts geleistet wurde, cultur— 
geschichtlich bedeutsam genug. 
Eben hier waren die Nachwirkungen Gerberts verhältniß— 
mäßig am klarsten. Neben so vielen Ungenannten kennen wir 
den König Robert von Frankreiches), den Geschichtsschreiber Richer, 
den Fulbert?6) als seine Jünger, den letzten als Stifter der Schule 
zu Chartres, welche ein zweites fruchtbares Seminar nicht blos 
für das heimische Land geworden ist. Ein ungewöhnliches 
pädagogisches Talent ist sicher demjenigen eigen gewesen, welchen 
die bewundernden Schüler den Socrates der Franken?7) nannten. 
Die Persönlichkeit war ungleich größer als die wissenschaftliche 
Leistung, das individuell Anfassende bedeutsamer als die materielle 
Unterweisung. Nicht fähig originelle Gedanken28) zu entwickeln 
und mitzutheilen, hat Fulbert als Bildner der Eigenthümlichkeit 
begabter Schüler seine Virtuosität in der anregenden Kraft seines 
Umgangs gezeigt. Dieser Lehrer wurde der Vater gar verschieden 
gestimmter wissenschaftlicher Söhne. Einige derselben geriethen 
demnächst in einen literärischen Krieg, aber ohne Beeinträchtigung 
der gleichen Gefühle kindlicher Pietät. Jenes setzt voraus, daß 
dieselben, auch nachdem sie Chartres verlassen, nicht aufgehört
	        
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