Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

100 
Zweites Buch: IX. X. 
gebunden sein, und Alles, was Du auf Erden lösen wirst, soll auch 
im Himmel los sein,“ können aber nicht umhin, die gemeinte, 
aber nicht ausgesprochene Beschränkung zu ergänzen. Wäre hier 
dem Apostel eine Machtvollkommenheit übertragen, welche durch— 
aus willkürlich zu verwenden wäre, so hieße das nichts Anderes 
als zur Sünde, zum Frevel gradezu verführen?*). Alle diese 
Irrungen können nur vermieden werden, wenn die Glaubens-Analo— 
gie der Führer wird und bleibt. Der Geist muß auslegen, wenn 
die Autorität der Bibel erhalten werden soll. Aber als die 
höchste? — 
1 
Wenigstens scheint dieselbe höher gewerthet zu werden als 
die Tradition, selbst als die ächte. Denn überhaupt gar nicht in 
Betracht kommt jene unächte, auf welche sich Lanfranc und die 
Gleichgestimmten berufen. Diesen war dieselbe die längst be— 
kannte unveränderliche Größen), sinnlich wahrnehmbar und hand— 
greiflich wie die Kirche selbstz). Die Beschlüsse der Concile, die De— 
erete der Päpste, die Sentenzen der Väter?ꝰ), sofern sie von den 
letzteren genehmigt worden“), sind die augenfälligen Gefäße, in 
welchen sie dargeboten wird, aber nicht, um sich darin zu er— 
schöpfen. Alles, was thatsächlich gilte) in der Kirche — und 
das ist freilich das Nämliche, was stets gegolten hat — ist das 
Traditionelle, dieses die letzte Instanz für jeden Katholiken. 
Unserm Autor dagegen hatten die historischen Studien ein anderes 
Verständniß eröffnet. Allerdings wir haben ihn das Eine oder 
Andere, was man gemeiniglich zur Tradition rechnete, zum Zweck 
der Vertheidigung verwenden sehen. Ja, die „katholische Wahr— 
heits)“ ist es, welche er ausgesprochenermaßen ebenso bekennen 
will wie seine Gegner. Aber wo ist die Kirche, welcher dieselbe 
als katholische angehört? — Sein kritischer Verstand hatte, je 
länger desto klarer den vorgeblich unwandelbaren Kirchenglauben
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.