Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

02 Zweites Buch: X. 
dürfte in Hinblick auf das, was im Jahre 1050 in jener Stadt8), 
was im Jahre 1059 in Romu6) geschehen ist, diese zusammen— 
jelaufenen Heerden von Unvernünftigen und Unsinnigen für in⸗ 
spirirte heiligen?) Synoden halten! — Nein, nicht nach den Be— 
schlüssen der Macht ist die Wahrheit abzuschätzen, sondern an der 
Wahrheit die Geltung irgend welcher Beschlüsse. Denn auch die 
wirklichens) Synoden sind im besten Falle nur die jene suchen— 
dent0). — Urtheilte man dagegen, daß Alles, was eine jeweilige 
Versammlung dieser Art genehmigt habe, für katholische Wahr— 
heit zu erachten sei: so würde in Betracht der augenfälligen 
Widersprüche der genehmigten Decrete unter einander jene selbst 
ein sich Widersprechendes, also ein sich selbst Aufhebendes sein. 
Oder aber sollte, was früher als katholisch gegolten hat, durch 
eine jüngere Synodal-Sentenz geändert werden können, so würde 
man auf den unvollziehbaren Gedanken einer wechselnden Wahr— 
heit kommen. Also könnte es dem frommen Lanfranc noch ein—⸗ 
mal begegnen, daß er als Häretiker verdammt 'würde, oder aber 
seine Transsubstantiationslehre abschwören müßte, — er, der Ka— 
cholik um jeden Preis, welcher, wie er selber sagt, lieber ohne 
Gründe, ohne Autorität mit „dem Volke“ ein gemeiner Katholik 
sein will, als mit dem Gründe und Autoritäten beibringenden 
Berengar Häretiker?o). Das heißt ja wohl, bemerkt der ironische 
Polemiker, das Volk und Lanfranc sind untrennbare Repräsen— 
tanten der Katholicität; Lanfranc ist nicht katholisch ohne das 
Volk, aber auch das Volk nicht katholisch ohne Lanfranc?1). Aber 
ist denn das Volk die große Menge der Unwissenden? Der katho— 
lische Glaube gleich dem des gemeinen Pöbels?22)? — Sind nicht 
Pobelkirche und katholische Kirche zu unterscheiden? — Ist nicht 
„die katholische Wahrheit“3) das Richtmaß für Alles, was katho— 
lisch zu sein beansprucht? — Gewiß. Aber wo ist.denn dieselbe 
zu finden? — 
Berengar hat das Concil als das Organ bezeichnet, durch 
welches sie möglicher Weise offenbar werden könnte, als eine
	        
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