Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

Zweites Buch: X. 103 
Instanz, aber nicht als eine zur infallibelen Erklärung ermächtigte; 
als eine Behörde, vor welcher ein Angeklagter unter Umständen 
sich zu stellen veranlaßt sehen dürfte, welche aber ihrerseits den— 
selben in Geduld und Sanftmuth zu hören21), die Gründe durch 
Gegengründe zu widerlegen die Verpflichtung habe. Das Ge— 
wicht jener oder dieser würde also die Entscheidung geben und 
eben sie die Definition der katholischen Wahrheit sein. Aber wenn 
nun jede der streitenden Parteien dieselbe für sich in Anspruch 
nimmt? — Es ist, wie man leicht bemerkt, diesem Schriftsteller 
die Ueberzeugung eine unerschütterliche, daß, wo die Wahrheit, 
da auch die Uebermacht sei. Aber darum grade ist er nicht ge— 
willt, den Satz umzukehren, die in der Autorität wurzelnde Ueber— 
macht zum Kriterium der Erkennbarkeit der Wahrheit zu machen. 
Also bleibt der Frager ohne Antwort, um desto peinlicher in 
Zweideutigkeiten und Widersprüche verstrickt zu werden. Die 
Synoden sind wohl Autoritäten, aber nur uneigentliche, die citir— 
ten Kirchenväter wohl Gewährsmänner, aber doch nur als Zeugen 
für das, was an und für sich feststeht auch ohne ihr Zeugniß. 
Dieses ist immer in der „Kirche“ gewesen, aber was diese sei, 
wird nirgends klar gesagt, um so klarer aber ihr Bestand an 
das Bestehen der „Wahrheit“ geknüpft. Jene gilt für katholisch, 
sofern sie diese hat, die ächte katholische Wahrheit wird der vor— 
geblichen, ja aller Tradition an einigen Stellen entgegengesetzt28); 
ebendaselbst die heilige Schrift genannt, — etwa im Sinne des 
zvangelischen Schriftprincips? — Es ist wahr, Berengar hält 
mehrfach das Kirchliche und Biblische auseinander, er nennt ein⸗ 
mal das Schriftargument das „unbesiegbare“26), betont dasselbe 
schärfer als das aus der Tradition entnommene; ja er nennt 
Christum, den in der heiligen Schrift sich verkündenden, di e Auto— 
eität und die untrügliche Wahrheit??), die Wahrheit selbste8), 
wiederholt die Wahrheitz?ꝰ), was Alles um so stärkeren Ein— 
druck machen kann, als andererseits nirgends die specifische Dignität 
desselben angetastet, vielmehr durchweg von ihm in jenen Lehr—
	        
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