Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

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Zweites Buch: XII. 
zu müssen. An Stelle der Menschheit, wie sie seiner abstracten 
Doctrin gemäß sein sollte, trat die der gemeinen Vorstellung; an 
die der ideellen Allgemeinheit die empirische Allheit. „Alle“ sollen 
and werden der Einen Wahrheit huldigen. Also der wirkliche 
Sieg derselben in dieser wirklichen Welt gilt als Gewähr des 
unbedingten Werthes. 
Allein ist denn das nicht die augenscheinliche Verneinung der 
eigenen, oben erwähnten einseitigen Lehre? — Allerdings; gleich— 
wohl ist dieselbe nicht von ihm selbst in dem Grade als Irrthum 
erkannt, daß sie definitiv aufgegeben wäre. Die eine Betrach— 
rungsweise blieb neben der anderen stehen: die eine erschien, die 
andere verschwand, jenachdem die Stimmung wechselte. — 
Dagegen die Ueberzeugung von der Richtigkeit seines Prin— 
rips ist immer die gleich unerschütterliche geblieben. 
„Gegen die Wahrheit?), gegen die Vernunft), gegen das 
Gewissen“) kann Niemand“, das war die lauterste Formel sei— 
anes Bekennens, die einzig ganz wahre unter den vielen halbwah—⸗ 
ren und unwahren, welche er mit dem Munde sprach, — die Ap— 
oellation an seine in der That allerhöchste Instanz, welcher alle 
andern weichen mußten. Die katholische, evangelische, apostolische 
Wahrheit, die Wahrheit selbst, welche Christus ist, sind nicht etwa 
verschiedene Namen für die Wahrheit, sondern die Wahrheit ist 
lediglich die vernünftige, diese die Richterin jener aller, welche, 
wie wir erinnerno), des Gleichklangs ungeachtet in der That 
einem ganz anderen Principe, dem der Autorität, angehören. 
Nichtsdestoweniger nimmt diese doch auch irgendwie an der Wahr—⸗ 
heit Theils). Ja die eine oder andere dieser „Autoritäten“ kann 
für den auf dem Standpunkt verhältnißmäßiger Unmündigkeit 
Verharrenden oder auf denselben Zurücksinkenden die Bedeutung 
der Wahrheit haben. Also preisen Tausende und Abertausende 
Jesum Christum, während er ihnen doch in erster Linie Autori— 
tät ist. Aber auch der Aufgeklärteste kann das dulden; ja unter 
Umständen ebenso sprechen, weil er die an und für sich seiende
	        
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