Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

Zweites Buch: XIII. 115 
Wie könnte die Vernunft anders leuchten als in der Fin— 
sterniß? wie die Aufklärung erglänzen, wäre nicht die Nacht der 
Unwissenheit da? — Dazu kam, daß dieser Aristokrat des Ta— 
lents eine unüberwindliche Abneigung gegen alles Plebejische 
hatte. Grade in der Reibung beider Elemente wirkte der— 
jenige Reiz, welchen für Naturen dieser Art alles Esoterische hat. 
Also erklärt sich die jener weitesten Ausdehnung widersprechende 
Beschränkung seines ganzen Unternehmens auf einen auserwählten 
Kreis von Geweihten. Die reine Wahrheit ist niemals für Alle; 
sie kann nur als Geheimlehre tradirt werden. Soll man doch 
die Perlen nicht vor die Säues0) werfen; die starken Speisen 
nicht Jedermann reichens1). Also gilt der Wahlspruch der 
Accomodation: der stumpfsinnigen Menge muß man die Klarheit 
der ächten Vernunfterkenntniß verbergen, damit sie nicht geblendet 
werde; um Anstoß zu vermeiden, hat man zu verheimlichen, was 
man weiß; schweigen ist besser als reden. Man darf sich gegen 
die Unvernunft, welche die Gewalt in Händen hat, schützen, indem 
man ein Anderes mit dem Herzen bekennt, ein Anderes mit dem 
Mundes2). — Wie die Umstände nun einmal sind, bleibt die 
Tolexanz der allein richtige Grundsatz. Und wird dieser maß— 
gebend, so kommt es statt zu einer praktischen universellen Re— 
form vielmehr nur zu einer Umstimmung der Denkweise innerhalb 
der höheren Gesellschaft. Neben der Gemeinde der Wissenden, 
welche auf ein quietistisches Freidenkerthum angewiesen ist, ver— 
harrt die exoterische Großkirche in dem hergebrachten Glauben. 
Die Autorität, durch die Vernunft gefällt, erhält sich in der un— 
oernünftigen Welt als unvertilgbare Macht. 
Ein Widerspruch ist das allerdings, aber schwerlich für ihn 
ein so empfindlicher gewesen, als man meinen möchte. Brachte 
ihn doch grade dieser Dualismus in den glücklichen Fall, auf 
Erfolg und Mißerfolg gleicherweise sich berufen zu können. — 
Man trifft vielleicht das Richtige nicht ganz, wenn man urtheilt, 
Berengar habe zwischen der Stellung eines wissenschaftlichen 
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