Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

123 
daß die Vota anders sich entschieden hatten, als er erwartete, da 
opferte er die eigene Meinung 10). Selbst die Erklärung des 
von der heiligen Jungfrau Inspirirten mußte dem Beschlusse der 
Synode als eines geregelten Instituts der Kirche weichen oder 
ward vielleicht nunmehr in Betreff der Aechtheit verdächtigt. Der 
Diplomat, der alle seine kleinen Künste verbraucht — Berengar 
zu retten, mußte jetzt die eine große verwenden, sich selbst zu 
retten. — Schon hatte er viel auf das Spiel gesetzt: mit dem 
Glauben an die zweifellose Sicherheit der Römischen Tradition, 
welche von ihm stets gelehrt war, schien das Schwanken und 
Suchen in den Synodal-Tagen schwer vereinbar11). Bereits 
sahen gewisse resolute Leute, welche von dem Verlaufe der Dinge 
gehört hatten, darin eine bedenkliche spiritualistische Schwärme— 
cein2); schon setzte man die im Besitze des festen Dogmas un— 
wandelbare Römische Kirche und den suchenden Hildebrand ein— 
ander entgegen. Die Gefahr, welche ihm aus der Bezweiflung 
der persönlichen Orthodoxie entstand, konnte nur durch jene außer— 
ordentliche Demonstrgtion, welche wir in der Schluß-Scene der 
Februar-Synode erkennen, abgewehrt werden. Wäre daselbst aber— 
mals ein zweideutiges Decret zu Stande gekommen, dann hätte 
die große antihildebrandinische Faction die Mittel des Beweises 
für den Abfall vom Glauben — denn also beurtheilte doch die 
Volksstimme Berengar's Doctrin — in Händen gehabt und wäre 
unter Zertrümmerung der Gregorianischen Herrschaft als die augen— 
scheinlich rettende Macht der Kirche zum Siege gelangt. Aber 
obwohl dieser Fall nicht eintrat; die Heinricianer hatten doch 
Material genug, des Papstes Rechtgläubigkeit in Frage zu stellen. 
Und das ist nicht nur mit theilweisem Erfolge, sondern auch mit 
zinem gewissen Rechte geschehen. Sind Mentalreservationen auch 
sonst bei ihm nachweisbar; in welchem Falle wäre die Annahme 
von dergleichen gegründeter als in diesem? — Und selbst wenn 
es von seiner Seite am Ende der Synode zu einer aufrichtigen 
Anerkennung des schließlichen Formulars gekommen wäre; es bliebe
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.