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Zweites Buch: XVI.
tische Formel mit dem Munde plappern und zugleich dem Her—⸗
zenskündiger das Bekenntniß der Wahrheit ablegen)? — In—
dessen das war nur die eine Methode der Selbstrechtfertigung.
Diese neue Wissenschaft verstand noch eine andere zu verwenden.
Sollte Jemand an die Märtyrer der alten Kirche erinnern wol—
len, welche doch in der nämlicheni Welt, deren Unverstand die
Aufgeklärten des elften Jahrhunderts beklagten, den Glauben be—
annt und mit ihrem Blute besiegelt haben: so wird demselben
zu bedenken gegeben, das Martyrium sei nicht Jedermanns Sache 6),
oder selbst Petrus habe zur Zeit des Lebens des Herrn denselben
oerrathen, — auch Plato sich accommodirt s). — Aber sind denn
das nicht Autoritäten? Diese nicht Nullitäten in den Augen der
Fortschrittsmänner? — Ja und Nein, — wie es eben paßt. —
In der That, ein scharfsinniger Theoretiker der Aufklärung
ist Berengar gewesen, ein Heros derselben war er nicht. Sein
Schicksal gestaltete sich so, daß ihm Gelegenheit gegeben war, sein
Leben zu einem tragischen Drama zu weihen. Aber die Art, wie
er wirklich in demselben auftrat, trug nahezu einen entgegenge—
etzten Charakter. Er unterlag nicht physisch, um geistig desto
capferer sich aufrecht zu erhalten. Er kam zum Falle mit dem
klarsten Bewußtsein darum. Der Widerstreit der Gewissensqualen
und der Casuistik der Beschwichtigungen zerrüttete die sittliche
Kraft. Dieser peinliche Kritiker war doch so unkritisch wie mög—
lich in Bezug auf sich selbst.
Die zeitweilige Ueberschätzung seiner Person im Kreife der
Anhänger war eine verführerische Macht. Drogo hatte ihn der—
rinst den Unvergleichlichen genannt?). Schon nach wenigen Jah—
ren war in einem anderen Briefes) desselben Autors darüber
Klage, daß der Adressat doch zu leicht das Ohr den Schmeichlern
öffne. Und ein Anderer, welcher ihn gekannt zu haben scheint
wie Wenige, erklärte schließlich, auf die von ihm gemachten Er—
fahrungen zurückblickend: ob dieser Handel, um die Wahrheit an
das Licht zu bringen oder um den Ruhm auszubreiten, angefan—