Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

32 
Zweites Buch: XVII. 
digt, durch den Gedanken, die Wissenden geworden zu sein, be⸗ 
zlückt, mochten darum in zweiter Linie die Glaubenden bleiben 
oder werden. Die andern stimmten dem bescheidenen Apologeten 
in der Schätzung des nur verhältnißmäßigen Werthes des wirk⸗ 
lich Geleisteten nur zu gern bei; aber in Erinnerung an jene 
anderen, die Ansprüche erheblich höher spannenden Verheißungen, 
in welchen er die Evidenz der Argumentation in Aussicht zu 
stellen schienzo), fühlten sie sich nunmehr als die Getäuschten. 
Sie hatten, von dem Gedanken an das Irrationale des Dogmas 
zgequält, in dem stringenten Beweis zugleich mit der Erlösung 
»on der Autorität den verlorenen Glauben wiederzufinden ge— 
jofft. Statt dessen war ihnen mit der Einsicht in das Mißlingen 
des ersteren vielleicht auch der Versuch diesen herzustellen miß— 
lungen. An Stelle jener Plerophorie, welche Anselm selbst in 
diesem Falle forderte, trat dauernd die Skepsis. — Und diese be— 
zog sich wahrlich nicht auf Kleinigkeiten. Es gab, wie es scheint, 
derer nicht wenige, welchen die stete Rede von dem Willen Gottes, 
als der höchsten Instanz, bei der man sich zu beruhigen habe, 
als eine Ausflucht der Verlegenheit galt. Dem Satze: das von 
Bott Gewollte ist das Vernünftige, stellten sie den andern ent— 
gegen: das Vernünftige ist das von Gott Gewollte. Alles, was 
der menschlichen Vernunft widerstreitet, kann nicht das von ihm 
Gewollte sein?1). — Nicht die eine oder die andere dogmatische 
Detailfrage bereitete Bedenken; grade die unzweifelhaft funda— 
mentalen, wie die nach der Existenz und dem Wesen, nach der 
Möglichkeit und Wirklichkeit der Menschwerdung Gottes, der Noth— 
wendigkeit der Versoöhnung bewegten gewisse Kreise. Anselm 
—DD— 
Monologium und Proslogium gewidmet sind, von ihm verlangt 
hätten; von Gelehrten, von Ungelehrten, welche mit den bezüg— 
lichen Scrupeln sich quälten. Das veranlaßt, vor allem an 
Mönche zu denken, nicht lediglich an die in seinem Kloster ein— 
heimischen, aber doch vornehmlich an diese. Also waren — wenn
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.