Full text: Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter (1. Band)

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Drittes Buch: II. 
raschender Schnelligkeit zu kaum übersehbaren Schaaren an. Flüch— 
tige Mönche, beweibte Priester, Magister, welche den Schulstaub 
abschütteln oder andere Lehranstalten aufsuchen wollten, schlossen 
sich an: eine buntscheckige Procession lärmender Protestmänner, 
voll Lebenslust und um so zügelloser, je peinlicher bisher der 
Zwang der Disciplin gequält hatte. Ihre ursprüngliche Heimath 
war das Kloster oder die Pfarrwohnung; die Stätte, wo sie der— 
malen am liebsten lebten, der Reisepfad oder das Wirthshaus. 
Da haben sie gezecht und gescherzt, gelacht und gesungen, des 
Lebens Ernst hinweggespottet, und doch des ernsten Sittenrichters 
Amt verwaltet. Cynisch im Ausdruck, platt in der Form, stark 
abstechend von der Zartheit der metrischen Weisen der Trouba— 
dour'ss), spiegelt das Lied der Vaganten die Stimmung der 
Autoren um so klarer ab. Sie sind erbittert, wie man sieht, 
durch die Wahrnehmung der Carricaturen des geistlichen Standes; 
kein Wort ist zu hart, um zu zeichnen und zu züchtigen*), was 
sittlich anwidert. Die grellen Contraste zwischen Bestimmung und 
Leben werden in ebenso grellen Farben gemalt. Die Maler ge— 
brauchen dergleichen nur zu gern. Diese ostensible Antipathie ist, 
wie es scheint, doch zugleich nicht ohne geheime Sympathie. 
Es ist wahr, nirgends finden wir da, wo der frivole Unglaube 
der Zeitgenossen geschildert wirde), ein ausdrückliches Wort, wel— 
hes denselben genehmigte. Niemals hat diese Poesie das katho— 
lische Dogma offen angegriffen oder angezweifelt. So schneidend 
die Kritik ist, so rückhaltslos in Bezug auf die Personen, in kei— 
nem Verse wird ein häretischer 6) oder gar den Unglauben un— 
mittelbar bekennender Satz ausgesprochen. Aber wahrlich auch kein 
apologetischer. Und schwerlich ist das ein unschuldiges oder zu— 
fälliges Fehlen; vielmehr ein heimliches und doch nur zu verständ— 
liches, zugleich positives Zeugen auch gegen die Kirche. Diese 
oerheißt die seligmachende zu sein im Gegensatze zu der Welt. 
Unsere Sänger preisen die letztere als diese Spenderin in ebenso 
ausschließlicher Weise. Die Kirchlichen verklagen sie hart?); der
	        
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