Full text: Natur und Gott

90 Bedeutung der Natur für die Keligion. 
sprünglich als Urmensch und Kulturheros, als Fruchtbarkeitsdämon oder 
als Lichtgott aufgefaßt ist, kann dahingestellt bleiben; jedenfalls sind in 
seinem Mythus alle diese Züge verbunden) von seinem feindlichen Bruder 
getötet und zerstückelt, aber von Isis und Horus durch Vollziehung ge— 
heimnisvoller Bräuche zu neuem Leben erweckt worden. Was ihm zu— 
teil ward, kann jedem geschehen, an dem die gleichen Zaubermittel und 
Formeln richtig angewendet werden; es widerfährt ihm gleiches heil, 
ja er wird selbst Osiris, fährt auf dem Schiff des Sonnengottes und ge— 
langt in den Vollbesitz göttlicher Kraft, Cinsicht und Seligkeit. Wenn nur 
die Zauber kräftig genug sind, um allen Widerstand niederzuwerfen, 
so sind die freudigen Aussichten in die Zukunft unbegrenzt. Der Zauber— 
ritus ist es, der Unsterblichkeit erwirkt; das neue Leben wird sehr massiv 
als Fülle himmlischer und irdischer Freuden verstanden. Wesentlich ver— 
tieft zeigen sich diese Gedanken in den späteren Isis-Muysterien: Sym— 
bolisch vollzieht der Myste die Himmelswanderung durch die zwölf Stun— 
den der Nacht, immer neue Gestalten annehmend, bis er die göttliche 
gewinnt. Durch mitternächtliches Dunkel der Unterwelt kehrt er zum 
Cichte zurück und wird am Morgen mit dem Himmelsgewand umkleidet. 
In der Rechten die brennende Fackel, auf dem Haupte den Kranz, aus 
dem sonnenstrahlenartig Palmzweige hervortreten, wird er von der Ge⸗ 
meinde als Sonnengott verehrt. Das Kleid bedeutet und bewirkt die 
physische und geistige Vollendung; voran geht diesem Höhepunkt ein Tief— 
punkt, ein Sterben und Auferstehen, in phrygischen Mysterien durch eine 
Bluttaufe dargestellt. 
Auch die alten Vegetationskulte bilden sich zum Mysteriumuso) gott⸗ 
menschlichen Sterbens und Auferstehens um. Mit dem Untergange der 
Vegetationsgottheit beklagt der Mensch seinen eigenen; mit ihrem Neu— 
erwachen wird, so hofft er, sein eigenes Erwachen in einem geläuter— 
ten Dasein erfolgen. Diese Umbildung hat sich schon in Babylonien voll—⸗ 
zogen. Dort wird Tammuz mit Marduk identifiziert, der, als gestorbener 
und auferstandener Gott gefeiert, zugleich das Geschick des Menschen ab— 
bildet. Das Neujahrsopfer bewirkt die Adoption des Opfernden durch 
die Gottheit und schenkt ihm Leben. Auch das Lebenswasser spielt in 
einem Tauf- oder Besprengungsritus eine wichtige Rolleist). Von Inter— 
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1800) Die umfangreiche Literatur aufzuführen ist hier nicht nötig. Verwiesen 
sei auf Reitzensteins „Hellen. Mysterienreligion“ 2.A. 1920. 
151) Erwähnt sei noch, daß Tammuz im himmlischen Paradiese wohnend 
gedacht wird; ein Text kennt einen Gott mit Namen Schwächling d. i. Mensch. 
Die Darstellung ruht auf 3. T. noch unveröffentlichten Texten, über die Ebeling 
der Berliner religionswissenschaftlichen Gesellschaft Mitteilung machte.
	        
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