100 Bedeutung der Natur für die Keligion.
lichen muß es sich um die Verfolgung von zwei Gedankenreihen und
ihrer Konsequenzen handeln, um Schöpfung (bzw. Weltuntergang) und
um Erlösung. Denn der Schöpfungsbegriff hebt die Gottheit über die
Welt empor und ordnet sie dem ganzen Naturbereich über; die Erlö—
sungsidee sondert das Lebensinteresse des Menschen von der Natur ab
und richtet sie auf ein neues Ziel. Die verschiedenartigen Prägungen
dieser Gedanken und ihre gegenseitigen Beziehungen verlangen unsere
Aufmerksamkeit.
7. Schöpsung und Emanation.
Der Schöpfungsgedanke wurzelt in der Naturbetrachtung selbst, die
mit jedem neuen Jahre einen neuen Lebensstrom wahrnimmt und von
Staunen über die immer neu entstehende Lebensfülle voll ist; in ge—
wissem Sinne ist sogar der Schöpfungsgedanke älter als die Naturre—
ligion, denn voll von Ursprungsmythen sind auch die einfachsten Keli—
gioneniss). Überall werden die gesellschaftlichen Ordnungen, Tabure⸗
geln, Beschneidung, Muysterientänze, aber auch die Bräuche beim Acker⸗
und Weinbau usw. auf muthische oder halbmnthische Wesen, sog. Heil⸗
bringer zurückgeführt, ebenso auch einzelne auffallende Naturerschei⸗
nungen oder regelmäßig im Jahreslaufe wiederkehrende Naturvorgänge.
Namentlich wird auch die Herkunft gewisser Tiere mit ihnen in Zu⸗
sammenhang gebracht und das weist wohl auf eine Verbindung der
Ursprungsmythen mit der totemistischen Organisation der Stämme. Die
Urväter sind „prinzipiell gewissermaßen als verkörperte Ursachen“ zu
betrachtenne) und haben in dieser Aufgabe ihren Ursprung wie ihre
Daseinsberechtigung. Diese Auffassung bewährt sich 3. B. an den My⸗
then der Uitoto, in denen die Tier⸗Metamorphosen einen immer wieder⸗
kehrenden Bestandteil bilden; daß die Erzählungen ätiologische Tendenz
haben, zeigt der mehrfache Hinweis auf die Nachkommen, die das Tier
sehen oder essen sollenteo). Daß es sich aber um mehr als bloße Ur⸗
sprungssagen handelt, beweist die schon erwähnte Annahme, daß das
Cied von den Ursprüngen, verbunden mit sonstigen geeigneten Seremo—
nien, dazu dient, um den Naturlauf und die Erzeugung eßbarer Früchte
und Tiere von neuem anzuregenie). Auf denselben Grundgedanken be—
ruht es wohl, wenn in Babynlon ein Beschwörungstert mit der Schöp⸗
fung von himmel und Erde anhebend, auf den Wurm übergeht, der als
168) Vgl. M. B. Weinstein, Entstehung der Welt und der Erde nach Wissen—
schaft und Sage. 2. Aufl. 19173.
1609) Vgl. Söderblom a. a. O. S. 133.
160) 3. B. Preuß 7, 146. 154. 161) Oben S. 70f.
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