Full text: Natur und Gott

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bern, wo jede Grenze zwischen Sinn und Widersinn schwindet und jede 
feste Ordnung fehlt, bildet überall den hintergrund. 
Anders gestaltet sich der Wunderglaube, wo eine feste Natur- und 
Weltordnung anerkannt ist und die großen Götter, die unter Abstreifung 
ihres dämonischen Ursprungs alle mehr oder minder zu Himmelsgöt-— 
tern geworden sind, als ihre Hüter und Vertreter gelten. Jener Glaube 
hört nicht etwa auf, im Gegenteil steigert er sich inhaltlich, sofern von 
den Göttern ganz andere Kraftproben erwartet werden können, als von 
Dämonen; sind sie doch gigantische Konzentrationen aller geheimnisvollen 
Kräfte. In den händen des Gottes wird die unwiderstehliche Waffe des 
Blitzes gedacht oder er ist in Zauberkunde unübertroffen; z. B. läßt Mar⸗ 
duk zum Zeichen seiner höchsten Würde durch das Wort seines Mundes 
ein Kleid vergehen und wieder ganz werden. Eines seiner Tempeltore 
trägt den Namen „strahlende Wunderpracht“?1). Daß mit seiner Macht 
der Gott helfend eingreifen oder zürnend strafen kann, ist allgemeine 
Überzeugung. Aber verkehrt wäre es, deshalb jede Anderung des Wun⸗ 
derglaubens gegenüber der polydämonistischen Stufe in Abrede zu stellen. 
Vielfach verwendet der Gott seine Macht gegen die unheilvolle Tücke 
der Dämonen. Besonders wird Marduks Uberwindung von Dämonen, 
Fluch- und Schuldbann gerühmt: „Es schlug die Hand dessen, der mich 
geschlagen hatte, zwang ihn, die Waffe von sich zu werfen, Marduk. 
In das Maul des Löwen, der mich gebissen hatte, legte Zaumzeug Mar— 
duk usw.e)“. Wie die hier zitierte Selbstschilderung des „babylonischen 
hiob“ zeigt, kommen Wunderberichte auf, die gewiß zum Dank für die 
heilung im Tempel des Gottes niedergelegt und dort fortgepflanzt 
wurden?s8). 
Man darf annehmen, daß es vorzugsweise Priester waren, die in 
Beschwörungen, Heilungen und sonstigen Wundertaten die Kraft des Got—⸗ 
tes erprobten und erfuhren; sie werden im Besitz der großen „Geheim— 
nisse“ gedacht, aus welchen die Wunderkraft fließt, können aber durch 
Entweihung des Geheimnisses, insbesondere auch durch sexuelle Delikte 
die Kraft verlieren?). Natürlich wird es unter ihnen Spezialisten ge— 
geben haben, wie seit alters unter den Göttern selbst. Eine besondere 
Wunderglaube. 
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281) Greßmann a. a. O. s. 17/19. Cehmann-Haas 316. Die Gewalt des 
Wories wird auch beim Mondgott betont, Cehmann-Haas 302. 
202) Cehmann-Haas 316. 
203) Vgl. für Rom 3. B. Wissowa 206/13 die Wundererzählung beim Tempel 
der Fortuna; ferner Curtis a. a. O. S. XXIV (wo die Tradition ausdrücklich be—⸗ 
glaubigt erscheint), 61. 90. 306. 
264) Curtis S. 59f. 61. 63f. 87. 102.
	        
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