Full text: Natur und Gott

138 wissenschaftl. u. relig. Naturanschauung in der Geschichte. 
Schöpfung Gottes. Aber die Sympathie mit dem All⸗Leben ist hier 
zur klaren Einsicht erhoben: Ein zweckvolles Ganzes der Schöpfung stellt 
sich dar mit zielsicherer Cin⸗ und Unterordnung der Teile unter den 
Cebenszweck des Ganzen. Der erlöste und zu innerer Einheit befreite 
Mensch ist zum Hherrn, zum Träger und Bewahrer des Lebenszweckes des 
Ganzen bestimmt, der allem Leben gemäß den Gesetzen des Univer— 
sums seine gesicherte Stelle anweist und sichert. 
II. wissenschaftliche und religiöse Naturanschauung in der 
Geschichte des Christentums. 
1. Weltanschauung und Weltbild der Griechen. 
Im Bisherigen haben wir die Entwicklung der religiösen Gedanken 
über die Natur verfolgt, wie sie auf vorwissenschaftlicher Stufe, mit⸗ 
hin ganz uneingeengt durch streng methodische Betrachtung der Natur 
vor sich gegangen ist. Wir gehen jetzt dazu über, die Einwirkungen der 
wissenschaftlichen Naturerkenntnist) auf jene vorwissenschaftlich formu⸗ 
lierten religiössen Grundgedanken zu betrachten. Naturgemäß engt sich 
dabei der Bück wesentlich ein auf die antikechristliche Geschichte. Gewiß 
fehlt es auch in Indien und China, wie im Islam und im Judentum 
nicht an Einfluß philosophischer Bestrebungen auf die Keligion, aber 
letztere wirken auf die christliche Bewegung ein und kommen im Zusam⸗ 
menhange mit ihr zur Geltung, erstere aber haben, soweit sich heute ur⸗ 
teilen läßt, eine erheblichere und in sich bedeutende Wirkung nicht aus⸗ 
geübt. Erst das letzte Jahrhundert hat auch die alten religiösen Ge— 
danken des Orients neu in Bewegung gebracht und eigenartige Mi— 
schungen mit den Erkenntnissen der Neuzeit zu erzeugen begonnen. Was 
aber die Beziehungen des Christentums zur Welterkenntnis angeht, so 
lassen sich zwei große Phasen unterscheiden, ihre Ineinsbildung auf der 
Grundlage der Antike (bis zum ausgehenden Mittelalter) und ihre Eman⸗ 
zipation, die sich durch die Stadien bis zu Newton, zu Rant und zu Dar⸗ 
win bezeichnen läßt und der Gegenwart das Gepräge gibt. Es kann sich 
für uns nicht darum handeln, die geschichtliche Bewegung im einzelnen 
1) Daß es an Übergängen nicht fehlt und mit der Religion sich schon früh 
das Bewußtsein hoher Erkenntnis verbindet, an welche alles sonstige Wissen sich 
angliedert, ist schon 5. 98 hervorgehoben.
	        
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