Full text: Natur und Gott

162 Wissenschaftl. und relig. Naturanschauung in der Geschichte. 
der als anstößig empfundenen Gedanken, vor allem aber zu der Kezep— 
tion und Welterbildung seiner Gedanken. Indem Gott (der Vater) und 
der in Christus inkarnierte CLogos als gleichen Wesens und als hyypo⸗ 
stasen der einen und selben Gottheit erklärt wurden, fiel die Fülle von 
Mittelwesen, die von der Gnosis zwischen Gott und der angeblich unrei— 
nen Natur gesetzt waren, dahin (bzw. wurden sie selbst der Schöpfung 
eingeordnet). Schöpfung und Erlösung werden zusammengehörige Mo— 
mente des göttlichen Ratschlusses; die Schöpfung wird nicht nur als 
Tat des Logos gedacht, sondern ebenso, ja unter dem Einfluß der alt⸗ 
testamentlichen Sprache wohl gar überwiegend, auf den Vater zurück⸗ 
geführt; mit der Konsolidierung der Dreieinigkeitslehre wird sie, zumal 
im Abendlande, als Tat der ganzen Gottheit angesehen, und gleiches 
gilt von der Erhaltung und von der Regierung der Welt. Schon Ter⸗ 
tullian läßt die ganze Fülle des göttlichen Wesens als höchste Macht, 
Weisheit und Gotteskraft sich in der Schöpfung betätigenss). Der Ge— 
gensatz gegen den Gnostizismus drängt dahin, in voller Konsequenz des 
Monotheismus auch den Weltstoff, die ungeformte und ungeordnete 
hyle, die in Gefolgschaft Platos und aller Philosophen auch der Ver— 
fasser des Buches der Weisheit (11, 18) und Philo als Bildungsmate— 
rial der Welt hatten stehen lassen, zu streichen, also eine an keinen 
vorhandenen Stoffst) gebundene Schöpfung zu behaupten. Hatte Philo 
die Schöpfung von himmel und Erde (Gen. 1,1) dahin umgedeutet, 
daß hier die höhere Lichtwelt im Unterschiede zur finstern Materie ge— 
meint sei, so machten umgekehrt die Väter geltend, daß diese erste 
Schöpfung auch das Chaos (Gen. 1, 2) einschließe. In der Behauptung der 
Schöpfung aus dem Nichts (2. Makk. 7, 28) stimmen alle Väter über— 
einss), namentlich hat Tertullian geltend gemacht, daß die Annahme 
einer ewigen Materie den Monotheismus und die absolute Freiheit 
Gottes aufhebe, ohne doch das Problem des Bösen wirklich zu erklären. 
Die Analogie des menschlichen Bildens, welches allerdings einen Stoff 
voraussetzt, versagt, wie schon Irenaeus zugegeben hat, gegenüber dem 
Schaffen Gottes. 
War Gott allein und nichts außer ihm an der Schöpfung der Welt 
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63) C. hermogenem c. 45. 
64) Die (geschaffene) Materie deutet Gregor v. Nussa in seiner großen 
Retechetik c. 28. 29 als Einheit von immateriellen Qualitäten, Augustin findet 
(de vera relig. 18 n. 36) ihren Vorzug in ihrer Gestaltbarkeit; die Keime der 
Dinge sind (wie schon die Stoa lehrte) in sie hineingelegt. 
65) Auch Justin nach dial. c. Tryph. c. 5, wodurch der an sich mehrdeutige 
Satz, Gott habe alles aus einer unorganischen Materie gebildet (Apol. Ic. 10,59) 
interpretiert wird.
	        
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