Full text: Natur und Gott

168 wissenschaftl. und relig. Naturanschauung in der Geschichte. 
wiegend nur die Verwendung rein formaler Momente für die Zeichnung 
jener Entwicklung. 
Schon Philo hatte im pythagoräischen Geschmack den Zahlen der einzelnen 
Tagewerle eine besondere Bedeutung abzugewinnen versucht, und solch' ein musti— 
sches Zahlenspiel treffen wir vielfach wieder. Den meisten Beifall findet Philos 
Auffassung der Sechs als SZahl der Vollkommenheit (in welcher männliche und 
weibliche Prinzipien, d. h. ungerade und gerade Zahlen 6.1, 3. 2, 2. 3) zusam⸗ 
mengefaßt sind) und die auf hieronnmus zurückgehende Auffassung der Zwei 
als Zahl der Abweichung von der Einheit (daher das Werk des zweiten Tages 
nicht habe für gut gelten können?s). Auch die Einteilung des Junilius in Werke 
der Scheidung (die drei ersten) und der Ausschmückung oder ähnliche rein formale 
Teilungen kehren immer wieder. 
Daneben begegnet doch nicht selten auch der Versuch, einen sachlich 
in sich zusammenhängenden Weltbildungsprozeß vorstellig zu machen. 
Von der Annahme aus, daß der zuerst geschaffene Weltstoff mit den 
zunächst chaotisch gemengten Elementen der stoischen Naturphilosophie 
identisch sei, läßt Gregor von Nyssa das Feuer kraft seiner leichten, 
flüchtigen Natur zuerst von allen Elementen aus jener Mischung her— 
borbrechen, wie einen abgeschossenen Pfeil nach oben streben und, an der 
Welt Grenze angelangt, „eine kreisende Bewegung einschlagen, da ihm 
ja die gradlinige Bewegung weiter zu verfolgen, versagt ist.“ So um⸗ 
kreist es dann die Erde und bringt so ganz natürlich, noch bevor die ein— 
zelnen himmelslichter aus ihm gebildet werden, den Wechsel von Tag 
und Nacht hervor. Aus diesem Urlichte entstanden (am 4. Tage) Sonne, 
Mond und Sterne durch Zusammenballung der rotierenden Lichtteil⸗ 
chen, indem immer Gleichartiges sich zu Gleichem gesellte. Der Vorgang 
wird illustriert durch eine Mischung von Quechsilber, Wasser und Ol, 
bei der, auch wenn sie durcheinandergeschüttelt sei, sich das Quecksilber 
zu unterst, das Wasser in der Mitte, das Ol zu oberst ablagere. Johan⸗ 
nes Philoponos fügte noch hinzu, daß das Urlicht als eine nebelstreif⸗ 
oder kometenartig unbestimmte, noch nicht festgeschlossene Gestalt ge— 
schaffen sei; die runde Erde umkreisend, habe es notwendig, wenn unter 
ihr verborgen, Schatten oder Finsternis verursachen müssen. Diese The— 
drie, die sich Beda aneignet, ist im Mittelalter von der Mehrzahl der 
Exegeten, übrigens auch von Cuther, vertreten worden und entsprach 
den Voraussetzungen der antiken Naturphilosophie in vortrefflicher Weise. 
Auch in dem weiteren Derlauf der Schöpfung werden die natürlichen 
Bedingungen des gottgeordneten Geschehens mehrfach hervorgehoben: 
Die Erde fängt beim Rücktritt der Gewässer an, abzutrocknen. Die Was— 
**. 
XI 
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IX 
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18) Dies Urteil fehlt bekanntlich im hebräischen Grundtext und den darauf 
gestützten Übersetzungen.
	        
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