178 Wissenschaftl. u. relig. Naturanschauung i. d. Geschichte.
den. Von der Grundüberzeugung aus, daß die ganze Schöpfung ursprüng—
lich gut gewesen sei, also das Böse später eingedrungen sein müsse, erhe—
ben sich Bedenken gegen die Schöpfung der reißenden und giftigen Tiere
wie der Giftpflanzen, Bedenken, denen wir übrigens in der alten Stoa in
gleicher Weise begegnenus). Alte christliche Lehrer geben die Antwort,
daß diese Verderbnis erst später eingerissen seitis). So behauptet Ba—
siliusizo) im Hinblick auf Gottes Fluch Gen. 3, 19: die Kose sei uranfäng—
lich ohne Dornen erschaffen. Mit Berufung auf ihn, Ambrosius u. a. sagt
Beda, vor dem Falle des Menschen habe die Erde noch kein Giftkraut,
nichts Ungesundes, keine unfruchtbaren Gewächse hervorgebracht; kein
Wolf habe vor den Schafställen gelauert, keine Schlange Staub gefres—
sen, sondern auch alle Tiere hätten einträchtig sich von Kräutern und
Früchten des Feldes genährttei)y. Uber Petrus Combardus:) hin ist
das gemeinsame Ansicht der Katholiken und Protestanten geworden. So
malt Cuther in seiner Weise aus, wie die Schlange noch aufrecht ging,
ohne giftigen Stachel oder häßliche Schuppen und einem der schönsten
Tiere gleich 8).
Wie man sieht, ist diese naive Naturbetrachtung ganz vom Men—
scheniec), seinem Nutzen und Schaden oder seinem Wohlgefallen und Miß—
fallen aus konstruiert, was übrigens auch bei einem Naturforscher wie
Plinius kaum anders war. Der Mensch steht durchaus im Vordergrunde
der Betrachtung, und wie düster auch die Klagen über sein durch die
Sünde hervorgerufenes Elend und seine Vergänglichkeit lauten mögen, so
ändert das nichts an dem echt antiken freudigen Stolz, mit dem die
Vorzüge des Menschen und seiner Stellung in der Welt sowie die Har—
monie des Universums ins Licht gestellt und gepriesen wird. Wie des
Menschen Leiblichkeit aus den 4 Elementen besteht, so rekapituliert und
übertrifft sein Organismus die vorausgegangenen Schöpfungsstufen; zu⸗
gleich eignet ihm eine Mittelstellung zwischen den Engeln und der sicht⸗
baren Schöpfung. Tiefer noch als diese Schätzung des Menschen als Mi—
krokosmos2s) reicht die spezifisch religisse Wertung seiner Gotteseben—
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118) Vgl. die Bemerkungen über Maus und Löwe bei Barth, Stoa 55. 63
119 Daneben finden sich mit Bezug auf einzelnes auch rationellere Ant—
worten. 120) In der 5. Homilie. 121) Vꝗl. Zöckler J 250.
i22) Dist. 13, 3 (der Sentenzen). 128) Genesis-Comm. 191.
4124) Im Blick auf die Gesamtheit der Schöpfung ist indes dieser anthropo—
zentrische Gesichtspunkt durch den Blick auf die Engelwelt eingeschränkt. Es gibt
vieles, dem mehr Ehre gebührt als dem Menschen (Orig. c. Cels. 4, 30). Auch
bleibt vorbehalten, daß Gott alle Wesen liebt (4, 28 f.).
128) Vgl. 3. B. zusammenfassend Joh. Damasc. a. a. O. 1 IIc 1-12.
August. de civ. Dei XII 21. Ep. 137, 3. 11. Quaest. 83. 9, 67.