Full text: Natur und Gott

180 Wissenschaftl. u. relig. Naturanschauung i. d. Geschichte. 
Norden und Westen des Reiches die Germanen, im Süden und Osten die 
Araber, den Verfall der Städte und ihrer Kultur, die Zerstörung der 
wenigen wissenschaftlichen SZentren, die vorhanden waren. Gleichwohl 
hätte der Zusammenbruch nicht so völlig werden können, wie er es 
wurde, ohne ein Versagen der antik-kirchlichen Kultur. Die Antike hatte 
zu einer in sich geschlossenen Kulturleistung geführt, einem Lebensgan— 
zen, in das alle Teile harmonisch eingeordnet waren. Soweit ohne neue 
Technik und ihre Hilfsmittel der Gedanke zu führen vermochte, führte 
er wirklich und hatte für alle Fragen eine anscheinend durchaus befrie— 
digende Antwort. Keine Epoche hatte vermocht, den Lebensstil der Blüte— 
zeit Athens zu erreichen, geschweige denn zu übertreffen. Die Auffassung, 
daß die Welt alteresi), und daß der Höhepunkt des Lebens wie der 
wissenschaft erreicht, wohl gar überschritten sei, war allgemein. Keinem 
Mann der Spätantike kommt der Gedanke, daß der erreichte Stand des 
wissens nur ein Anfang sein könne. Es ist begreiflich, daß die Germanen 
die Wissenschaft ihrer Lehrmeister als unübertrefflich und für alle Zeit 
gültig angesehen haben, aber dem Griechen galt auch der Römer im 
SGrunde noch als Barbar, und auch für ihn selbst lag die eigentliche 
Größe in der Vergangenheit. Die Wissenschaft galt als Überlieferung des 
Gewußten und die stets verjüngende Macht der Erfahrung blieb un— 
erkannt. Es waren ganz wenige Gebiete des Erkennens, auf denen die 
Notwendigkeit steter Beobachtung anerkannt war, im Grunde nur die 
Astronomie, aber deren Ergebnisse brauchen Jahrhunderte, um heran— 
zureifen. Durch das Christentum wurde der eben bezeichnete Sug der 
antiken Rultur noch verstärkt, denn eine Botschaft der letzten Zeiten war 
es von Anfang an und wollte es bleiben; zugleich aber die höchste, die 
wahre Gottesweisheit, die selbst den weisheitsdürstenden Hellenen noch 
gefehlt, von der sie höchstens einzelne gebrochene Strahlen (durch Ein— 
wirkung der mosaischen Tradition) aufgefangen hatten. Indem das Chri- 
stentum in seinem ungeheueren Selbstbewußtsein die antike Kultur in 
sich aufsog, war nun vollends ein Ganzes entstanden, das, aus Gott und 
seiner fleischgewordenen Vernunft geflossen, unantastbar sein und unver— 
letzt von Geschlecht zu Geschlecht überliefert werden mußte. Daß Denker 
oder Sterngucker diesem Ganzen noch etwas von Wert oder auch nur 
von Berechtigung hinzufügen könnten, ist in keines antiken Christen Herz 
gekommen. „Forschung“, sagt Tertullian, „ist nach dem Cvangelium nicht 
mehr vonnöten!s).“ 
1431) Vgl. oben s. 117. 
182) De praesc. haeret. c. 7. Eine Sammlung analoger Aussprüche Augu⸗ 
stins bei Uberweg-Baumgartner 5. 152. 
Ii 
43 
is. 
mMe 
R 
V 
„uili 
E 
en 
ighe 
X 
der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.