Full text: Natur und Gott

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Die neue Naturanschauung u. d. relig. Weltanschauung. 223 
hungskraft mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt. Unter der An— 
nahme einer so wirkenden Kraft ergab sich wiederum die elliptische Form 
der planetarischen Bewegung als notwendig. Zugleich fand sich, daß 
die gleiche Kraft überall, auch von der Erde aus, wirke und mit der 
Schwerkraft identisch sei, was durch Anwendung der Fallgesetze auf die 
Bewegungen des Mondes gegen die Erde sich als der Wirklichkeit ent⸗ 
prechend erweisen ließ. Damit waren die empirisch aufgestellten Ge— 
setze Keplers auf die Prinzipien der Galileischen Mechanik zurückge⸗ 
führt und in ihrer Notwendigkeit begriffen, und Newton konnte das Ge— 
setz formulieren: Jeder Planet wird von der Sonne und ebenso jeder 
Trabant von seinem Planeten mit einer Kraft angezogen, welche der 
Masse des anziehenden Körpers direkt und dem Quadrate der Entfer⸗ 
nung umgekehrt proportional ist. Unter der Voraussetzung, daß diese 
kAnziehung allen Teilchen der Materie zugeschrieben wurde, konnte New— 
lon die allgemeinen Gesetze der Bewegung der himmelskörper als eine 
rein mathematische Notwendigkeit ableiten, der auch die Kometen unker— 
worfen sind, und aus der auch die gegenseitigen Störungen der Him— 
melskörper, z. B. die höchst verwickelten Unregelmäßigkeiten des Mond— 
laufs, sich mußten ableiten lassen. Die Abweichungen der Planetenbah— 
nen von den Keplerschen Gesetzen, die selbst ein Leibniz geneigt war, 
als unfaßbare Unregelmäßigkeiten der Nalur aufzufassen, hatten damit 
ihre grundsätzliche Erklärung gefunden. Die kopernikanische Auffassung 
des Sonnensystems war definitiv gerechtfertigt und das Verstummen des 
Widerspruchs dagegen konnte nur noch eine Frage der Zeit sein. 
10. Die neue Naturanschauung und die religiöse Weltanschauung. 
Den vergeblichen Kampf der alten Wissenschaft und, mit ihr im 
Bunde, der Theologie aller Konfessionen auch nur in seinen hauptmo— 
menten zu schildern unterlasse ichees); es genügt, zu zeigen, welche Um— 
bildung der religiösen Tradition notwendig wurde, um einen modus 
rivendi, einen Rusgleich der disparaten Anschauungen, zu erreichen. Emp— 
funden wurde zuerst und vornehmlich der formale Widerspruch gegen 
gewisse Bibelworte. An dem KRechte der Vernunft auf freie Erkenntnis 
der Natur hatte die Scholastik beider Konfessionen nie gezweifelt und 
208) Vgl. Zöckler JI 633142. II 43 ff. 351ff., sowie meine Ausführungen in 
R.E. 24, 202- 211. Vor Newton sind es nur veteinzelte Theologen, die der all— 
gemeinen Verwerfung des KRopernikanismus entgegengetreten; seine allgemeine 
Rezeption hat namentlich die Leibniz-Wolfsche Philosophie bewirkt, so daß im 
Protestantismus später die Ablehnung immer seltener wurde. Der Widerspruch 
der römischen Kurie ist allerdings erst im 19. Jahrhundert verstummt.
	        
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