230 Wissenschaftl. u. relig. Naturanschauung i. d. Geschichte.
Daß diese Gesamtanschauung berufen war, die philosophisch⸗reli⸗
giöse Entwicklung der Neuzeit von Spinoza bis zu Goethe und über
ihm hinaus nachhaltig zu beeinflussen, wie sie selbst von der neuen Er⸗
kenntnis der Natur die entscheidende Wendung erhalten hat, daß sie
auch an wichtigen Punkten künftige wissenschaftliche Erkenntnisse vor—
ausnahm, ist Tatsache, aber nicht minder sicher, daß es bestimmte meta⸗
physische Voraussetzungen sind, von denen aus sie das neu erschlossene
Weltbisd deutet, und daß die genialen Forscher, die die neue Erkenntnis
wissenschaftlich begründeten, dieser Deutung ablehnend gegenüberstehen.
Selbst Galilei, der doch die gleiche geistige Atmosphäre geatmet hat, zeigt
von dem hylozoistischen Pantheismus Brunos keine Spur, vertritt viel⸗
mehr in dem „Dialog“ eine theistische Theorie von der Entstehung des
sonnensystems; der göttliche Baumeister habe zuerst die Sonne gebildet
und ihr einen festen Platz verliehen; dann seien aus seiner Hand die
Planeten hervorgegangen. Diese hätten sich von dem Ort ihrer Ent⸗
stehung mit wachsender Geschwindigkeit nach der Sonne hinbewegt.
Dann seien sie, wiederum durch göttlichen Eingriff, an einem bestimmten
Punkte (den Galilei noch meint berechnen zu können) mit der bis dahin
erlangten Geschwindigkeit aus der Fall⸗ in eine Drehbewegung versetzt
worden. Daß in solchen Ausführungen nicht bloße Anpassung vorliegt,
ist schon an sich wahrscheinlich, wird aber auch durch Galileis Privat⸗
korrespondenze) völlig sichergestellt. Auch der Annahme, daß die Ge⸗
stirne den irdischen Geschöpfen ähnliche Cebewesen beherbergen, tritt er
entgegen. Dagegen scheint Galilei der Annahme der Unendlichkeit des
Weltalls (für die sich auch. Gilbert ausgesprochen hatte) zuzuneigen,
wenigstens stellt er im Dialoges) fest, daß ihre Endlichkeit nicht bewiesen
sei. Doch sei die Frage innerhalb der Wissenschaft unentscheidbar, da wir
bon der Größe der Welt über die Firsterne hinaus keine sinnliche Kennt—
nis besitzen. J
So phantasiereich und zu Spekulationen geneigt Kepler ist, auch
er geht ganz andere Wege als Bruno und lehnt ihn ausdrücklich ab; er
bekämpft eine Beweisführung, die nicht von den Sinnen ausgeht, son⸗
dern ex abrupto et quasi quodam enthusiasmo sich einen Weltenbau frei
konstruiert und will dem gegenüber die Astronomie in den Grenzen der
Welt halten. Auf die Frage, ob die Kegion der Fixsterne eine unendliche
sei, antworte?e er in seiner reifsten Darstellung, dem Epitome, nur, daß
darüber die Astronomie nichts aussagen könne, weil sie in solcher höhe
n Febroni, Lotters inedite äd' uomini Flustri Slorenz 1773, übs. v. C. J.
Jagemann 1783 (Gesch. d. Lebens G. Galileis 5. 181 f. 208. 214. 220 f.)) 5.
268) Ubersetzt von Strauß S. 39; 334 f. sowie opp. VI 518 f. GBrief an Ingoli)
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