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Das Werden einer neuen Gesamtanschauung. 233
und notwendig seienden Wesens für einen notwendigen. weil angebore—
nen oder von Gott gegebenen Gedanken; ohne die Annahme der Aseität
der absoluten Ursache, die jede Vollkommenheit und insbesondere die ab—
solute Wahrhaftigkeit in sich schließt, gäbe es keine Sicherheit darüber,
daß alles, was durch Vernunft klar und deutlich erkannt ist, auch wahr
ist. Mustern wir die im denkenden Ich befindlichen Ideen, so können wir
alle letztlich auf zwei höchste reduzieren, Denken und Ausdehnung. Da
uns die Vernunft nötigt, etwas anzunehmen, dem die Idee nachgebildet
ist, ist also durch die Wahrhaftigkeit Gottes das Dasein einer Geistes—
wie einer Körperwelt verbürgt. Damit ist die in Gott selbst begründete
Autonomie des wissenschaftlichen Erkennens, die einen bezeichnenden
Charakterzug der Neuzeit bildet, und die in den Bahnbrechern insbeson—
dere auch der neuen Naturerkenntnis sich in so überlegener Sicherheit
äußerte, fundamentiert und nicht nur wissenschaftlich, sondern zugleich
und zuletzt religiös legitimiert.
Mit diesem Machtgefühl des rationalen Denkens, das durch seine
Freiheitslehre nach der praktischen Seite hin noch verstärkt, zugleich aber
durch das dunkle Problem der Abhängigkeit menschlicher Freiheit von der
Gottheit begrenzt wird, verbindet Descartes die an der Naturwissen—
schaft und insbesondere an seinen mathematischen Untersuchungen ge—
reiften und bewährten Methoden in souveräner Handhabung und ent—
wickelt seine Betrachtung der Körperwelt als Raumgrößen in bestehender
Folgerichtigkeit Raum und Materie sollen zusammenfallen, so daß ein
leerer Raum ein Widerspruch in sich ist, der Materie aber keine innern
Zustände, keine Kräfte zukommen, sondern Druck und Stoß zur Erklärung
aller Phänomene hinreichen; damit wird die Physik evident wie die
Geometrie; die ganze Physik wird Mechanik und mithin Mathematik⸗).
Da die Ursache der Bewegung, Gott, unveränderlich ist, so muß auch die
summe der Bewegung?es) stets dieselbe sein. Die Konstruktion der Sin—
200) Princ. J 18. 27. 29. 30, vgl. die Meditatioues de prima phil. (3te Medit.)
und namentlich die (bei Überweg zitierten) Worte: dum in me ipsum mentis
aciem converto, non modo intelligo me esse rem incompletam et ab alio depen-
dentem remque ad majora et majora sive moeliora indefinite aspirantem, sed
simul étiam intélligo illum, à quo pendeo, majora ista omnia... re ipsa in-
finite in se habere, atque ita Deum esse, totaque vis argumenti in eo est, quod
agnoscam fieri non posse ut éxisstam talis naturae, qualis sum, nempe
ideam Dei in me habens nisi re vera Deus étiam éexisteret. Schleiermachers
Deduktion des schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühls liegt das hier bezeichnete
Grundverhältnis des Menschen zu Gott zugrunde.
266) Brief an Plempins 27. Nov. 1637; an Beaune vom 30. Apr. 1639.
266) Die hier in Betracht kommende Bewegungsgröße wird freilch noch