Full text: Natur und Gott

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Goethes Gesamtanschauung. JJ 265 
auf die Erkenntnis der Dinge hingewiesen, um in Pflanzen und Stei— 
nen das Göttliche zu suchensss). 
Auch wo Goethe die Natur erforscht, sind es, wie seine naturwissen⸗ 
schaftlichen Abhandlungen deutlich zeigen, wesentlich ästhetische Gesichts— 
punkte, von denen er ausgeht, gelegentlich redet er selbst nur „von einer 
andern Art Malerei und Poesiesss)“. Naturwissenschaftliches und künst⸗ 
lerisches Interesse haben sich in ihm so innig durchdrungen, daß ihm die 
Natur nur als ein Wirken künstlerischer Bildungskraft verständlich wird, 
wie umgekehrt künstlerisches Schaffen ihm als eine das natürliche überra— 
gende und steigernde Produktion erscheintero). Was der Künstler unter⸗ 
nimmt, ist die Herausarbeitung eines in sich zusammenhängenden ide— 
ellen Ganzen, das in der Natur angelegt ist, infolge einschränkender Be—⸗ 
dingungen aber dort nicht voll zur Verwirklichung gelangt istet). Der 
Uunst und Wissenschaft verbindende Begriff ist für Goethe die Synthese 
eines Ideellen mit einem Realen. Auf dem Gebiete der Kunst ergibt sich 
die Synthese durch Zusammenschmelzung des Gegenstandes mit dem Sub⸗ 
jekt; ein analoger Vorgang muß auch auf dem Gebiete der Wissenschaft 
möglich sein nach dem berühmten Grundsatz der Farbenlehre, daß nichts 
außer uns ist, das nicht in uns wäre, wie denn überhaupt von Goethe 
jede prinzipielle Unterscheidung zwischen dem Äußern und dem Innern 
(d. h. dem Geiste) der Natur mit Schärfe abgelehnt wird. Goethe selbst 
wird uns von Eckermann gut geschildert, wie er „in seinen Bestrebungen, 
die Natur zu ergründen, gern das All umfassen möchte“, „in der An— 
schauung allgemeiner großer Gesetze lebt“, „immer irgend einer großen 
Synthese auf der Spur ist“, aber aus Mangel an Kenntnis der einzelnen 
—D — 
„Des Forschens und Erfahrens wird er (bald 80 Jahre alt) nicht satt. 
In keiner seiner Richtungen ist er fertig und abgetan; er will immer 
weiter, immer weiter! immer lernen, immer lernen!“ und zeigt sich eben 
dadurch als „Mensch von ewiger, ganz unverwüstlicher Jugende'⸗)“. 
Das Spezifische der Goetheschen Synthese läßt sich noch genauer 
bestimmen; sie bewegt sich, und darin liegt das ungemein Anziehende 
aber auch zugleich die Schranke seiner Erkenntnis, stets auf dem Gebiete 
der Anschauung. Gegenüber Kant, der nur im Sittlichen die Erhebung 
in eine obere Kegion zuläßt, „dürfte es wohl im Intellektuellen derselbe 
ses) W. IV Bd. 7, 5. 214, vgl. Brief vom 9. Juni 1785. 
268) An Ch. v. Stein (W. IV Bd. 6 S. 288). 
320) Vgl. besonders seine Charakteristik Winkelmanns. 
321) VPgl. Cckermann, hrsg. v. Frz. Deibel 1923. 8. 417 f. 302. 310 f. 
372) A. a. O. 8. 177f.
	        
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