Full text: Natur und Gott

296 Wissenschaftl. u. relig. Naturanschauung i. d. Geschichte. 
als „Lesen der verborgenen Schrift“ bezeichnet wird. Sie erschließt die 
inneren Zusammenhänge, die zwischen den imaginativen Wahrneh— 
mungen bestehen und rückt alles Cinzelne in das Licht der großen Welt— 
vorgänge, deren Abbild sie sind; sie versenkt sich nicht mehr in einzelne 
Bilder, sondern in die eigne bilderzeugende Seelentätigkeit. Objekt die— 
ses Schauens sind mithin wesentlich die Entwicklungsvorgänge des Seelen⸗ 
lebens und des Kosmos, wie sie den Inhalt der Geheimwissenschaft 
bilden. Darüber hnaus liegt die intuitive Erlenntnis, eine höchste, licht— 
volle Klarheit, die in die Wesenheiten der höheren Welt selbst eindringt 
und sie nicht nur in ihren Beziehungen zueinander, sondern in ihrem 
Innern selbst erfaßt und sich mit ihnen vereinigt. 
Hier ist der letzte Rest des Sinnlichen-Physischen von des Menschen 
Eindrücken abgestreft, die geistige Welt beginnt für die Erkenntnis offen 
zu liegen in einer Form, die nichts mehr gemein hat mit den Eigen— 
schaften der physischesinnlichen Welt. Erkenntnisse wie sie über die Engel— 
welt und über den Christus mitgeteilt sind, gehören in diese Sphäre. 
Wer zu solcher Hhöhe gelangt, in dessen Atherleibe hat sich in der Herz— 
gegend ein neues Organ gebildet, von dem Strömungen zu den Lotos⸗ 
blumen gehen und sich dann wie Strahlen in den äußern Raum ergießen. 
Denken, Fühlen und Wollen des Menschen werden zu selbständigen We— 
senheiten, gleichsam drei Persönlichkeiten und diese „Spaltung der Per⸗ 
sönlichke!t“ setzt sich noch weiter fort, indem jene drei Kräfte je eine 
neue hervortreten lassen, welche ebenfalls als selbständige Wesen in der 
Seele wirken; dazu kommt schließlich eine dem eignen Ich selber analoge 
Wesenheit, so daß sich der Mensch als sieben Wesenheiten fin— 
det, die er zu lenken und zu leiten hat. Die seelisch-geistigen 
Wesenheiten der übersinnlichen Welt bieten sich ihm jetzt als eine Außen— 
welt dar, wie sich im physischen Gebiet Steine, Pflanzen und Tiere vor 
die Seelen stellen. Doch gibt der Mensch allem noch ein Gepräge, das von 
seinem eignen Wesen abhängt und erst wenn es ihm gelingt, jene sie— 
bente Wesenheit, seinen Doppelgänger, an dem das Gepräge Lucifers 
und Ahrimans haftet, zu enthüllen und vor sich zu stellen, wird er 
fähig, in der seelisch-geistigen Umwelt das, was er selbst ist, von dem, 
was außer ihm ist, zu unterscheiden, das Verhältnis des Mikrokosmos 
zum Makrobosmos zu erfassen und mit letzterem eins zu werden (ohne 
aber die eigne Wesenheit zu verlieren) und so zur Gottseligkeit zu ge— 
langen. 
Es ist begreiflich, daß von so hoher Warte aus dem Weisen die 
sonstigen Darbietungen des Okkultismus nur als „niedere Künste“ er⸗ 
scheinen. Indes läßt sich nicht verkennen, daß erst die spiritistischen und 
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