Die formalen Grundprinzipien der heutigen Physik. 303
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Gesetzen zur Einheit zu verschmelzen, und die Bewegung der Planeten
um die Sonne auf den Einfluß der Schwerkraft zurückzuführen, er hat
zugleich die wissenschaftlichen Grundlagen gelegt, die (ob auch heute
der Kritik unterworfen und der Revision bedürftig) den starken Aufbau
der sog. „klassischen“ Mechanik) zu tragen vermochten. Mit der Ein⸗
führung absoluten Raumes und absoluter Seit schafft er feste und un—
abänderliche Maße der Bewegung, mit dem Massenbegriff ihren Träger,
mit dem Kraftbegriff ihre Ursache. Die Kraft ist entweder Ursache der
gleichförmigen Bewegung einer bewegten Masse (nach Galileis Träg⸗
heitsgesetz in gerader Kichtung erfolgend) oder einer Änderung des Be—
wegungszustandes, deren Größe der bewegenden Kraft proportional
ist und in der Richtung dieser Kraft erfolgt. Die Zusammen-—
etzung oder Zerlegung von Kräften, die am gleichen Punkte angrei⸗
fen, geschieht nach dem Prinzip des Parallelogramms der Kräfte. Die
Wirkungen zweier Körper aufeinander sind immer gleich groß und ent—
gegengesetzt gerichtet. (Aktion und Reaktion sind einander gleich.) Auf
dieser einfachen Grundlage wird das System gesetzmäßiger Kraftwir—
cungen entfaltet. Für die Himmelsmechanik genügten diese Gedanken,
denn die Himmelskörper dürfen bei ihrer großen Entfernung durch ihre
Massenmittelpunkke und deren Bewegungen zueinander repräsentiert
werden. In der irdischen Mechank spielt dagegen die Struklur des Kör—
pers eine nicht zu übersehende Rolle; durch diese wird der Bewegung
jedes Einzelpunktes ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben, und dieser
„bedingten“ Bewegung gegenüber ist die Leistungsfähigkeit der Newton⸗
ichen Mechanik noch sehr beschränkt. Um dieser Schwierigkeit Herr zu
werden, hat zuerst Johann Bernoulli etwa folgendes Gedankenexperi—
nent angestellt: Gegeben sei ein Körper (ein „Massensystem“), auf den
beliebig viele Kärper einwirken, im Zustande der Kuhe. Denken wir
uns nun das System, anstatt in Kuhe, in einer Bewegung, welche mit
den strukturell bedingten Bindungen der Bewegung verträglich ist (einer
sog. „virtuellen“ Bewegung), so muß der Effekt einer Summe gleich—
lommen, die wir aus Addition der Produkte jeder einwirkenden Kraft in
die Geschwindigkeit jedes Punktes, an dem sie angreift, erhalten. Die
genannte Summe aller Produkte muß um so kleiner werden, je kleiner
die Bewegung ist, also Null bei einer unendlich kleinen Bewegung, d. h.
4) Vgl. besonders Paul Volkmann, Erkenntnistheoretische Grundzüge der
Naturwissenschaften, 2. Aufl. 1910, s8. 109 ff., 344 ff. E. Wiechert, Die Mechanik
im Rahmen der allgemeinen Physik (Nultur der Gegenwart III, 3,1 8. 3-78).
A. Voß, Die Prinzipien der rationalen Mechanik (Enzyklopädie der mathematischen
Wissenschaften IV, 1).