Full text: Natur und Gott

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Die formalen Grundprinzipien der heutigen Physik. 313 
(des „Null“zustandes) mit einem beliebigen späteren Zustande (die 
auch beide im Gedankenexperiment ihre Rollen vertauschen können) in 
seiner Eigenart bezeichnet. Die so von logischer Phantasie geschaffenen 
Idealvorgänge werden dann „differenziert“, in unendlich kleine Teil— 
vorgänge zerlegt und wieder zusammengesetzt, und die daraus sich erge— 
henden Schlüsse gestatten (sofern die Bedingungen richtig analnysiert 
sind) sichere Voraussagen über die wirklichen Vorgänge. Auch weit über 
das Gebiet der allgemeinen Prinzipien hinaus treffen wir überall in 
der physikalischen Forschung die gleiche idealisierende, bis ins letzte ver⸗ 
einfachende und Konsequenzen ziehende Verfahrungsweise. Neben dem 
absolut „starren“ Körper begegnen wir dem völlig „elastischen“, finden 
das „ideale“ Gas, den ganz „schwarzen“ (d. h. Licht verschluckenden) 
Körper und viele andre Dinge oder Vorgänge, die die Wirklichkeit nicht 
aufweist, die aber ausgezeichnete Dienste zu genauer Charakteristik und 
theoretischer DPerarbeitung der Wirklichkeit leisten. 
Wir können diese phänomenologisch-mathematische Richtung der 
Forschung auch an ihrer Behandlung der Sinneseindrücke veranschau— 
lichen. Es ist schon oft bemerkt, daß die physikalische Naturbetrachtung 
zwar an die Beobachtungen anknüpft, die wir unsern Sinnesorganen 
oerdanken, aber sehr bald ihre Begriffe in eigentümlicher Weise ver— 
indert und erweitert, so daß sie mit den Vorstellungen des täglichen Le— 
dens kaum mehr als den Namen gemein haben. Es gilt das nicht nur 
oon den Tönen, vom Licht und den Farben, von Wärme und KRälte, 
sondern auch von so allgemeinen Begriffen wie Kraft, Masse usw. Im 
allgemeinen geht das Streben dahin, den Naturdingen das sinnliche Ge— 
wand, das ihnen die Empfindung verleiht, auszuziehen und sie als ob— 
jektiv bestimmbare Größen darzustellen. Aber sofort fragt sich dann, 
wo dies Streben Halt zu machen habe, wo die von aller Subjektivität 
freie, objektive Größe zu finden sei. Mit erkenntnistheoretischen Erwä— 
gungen, die etwa auch RKaum und ZSeit und wohl gar den ganzen Be⸗ 
reich der Welt ins Gebiet des Subjek.iven verweisen, vermag die phnsi— 
kalische Forschung nichts anzufangen, denn Messung und Erforschung 
von Raum-⸗ und ZSeitgrößen bilden eben ihren eigentlichen, wenn nicht 
gar einzigen Inhalt. Demgemäß hat die Phnysik, auch wo sie sich der 
„phänomenologischen“ Methode bediente, nie die Objektivität von Raum 
und Zeit angetastet (auch Einstein tut das nicht), sondern nur gegenüber 
der letzten Grundlage dessen, was wir Stoff und Kraft nennen, Zurück— 
haltung geübt. Nach Kirchhoffs berühm?en Sätzen beschreibt die phäno— 
menologische Methode „die in der Natur vor sich gehenden Bewegungen 
vollständig und auf die einfachste Weise“, d. h. es wird auf Grund ge—
	        
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