Full text: Natur und Gott

320 Das phwilalischechemische Weltbild. 
diese Anregungen hin entstand und insbesondere von van t'Hoffes) zur 
Stereochemie fortgebildet wurde, ist als anschauliche, wenn auch natür— 
lich nur symbolische Darstellung chemischer Gedanken von größter Be— 
deutung für die Chemie der Kohlenstoffverbindungen (die „organische 
Themie“) geworden; insbesondere in dem Labyrinthe der sog. „isome— 
ren“ Verbindungen hat sie sich als sicherer Führer erwiesen. So nennt man 
chemische Verbindungen, die bei gleicher prozentualer Zusammensetzung 
gleichwohl verschiedene chemische Eigenschaften haben. Es lag nahe, als 
Ursache der Isomerie eine verschiedenartige Anordnung der Atome im 
Molekül anzunehmen. Diese Annahme bestät gte sich durch die En deckung 
van t'Hoffs von Verbindungen, die nicht nur gleiche prozentuale Zu— 
sammensetzung und gleiches Molekulargewicht haben, sondern deren 
Moleküle, auch vom Standpunkte der Ssrukturtheorie betrachtet, in glei— 
cher Wesse aufgebaut sind, die aber gleichwohl nicht identisch, sondern 
im Verhätnis von Bild und Spiegelbild aufgebaut sind. Solche Isomeren 
(zu denen z. B. unsere Zuckerarten gehören) sind einander sehr ähnlich, 
polarisieren aber das Licht in verschiedener Weise, und die Kristalle der 
einen sind Splegelbilder von denen der anderen. Sie treten übrigens nur 
auf bei Vorhandensein eines oder mehrerer asymmetrischerss) (Kohlen— 
stoff-Atome, und man kann, wenn man die Anzahl der asymmetrischen 
Atome kennt, die Anzahl der möglichen Isomeren voraussagen. 
Endlich ist man auch dazu gelangt, die kleinsten Teilchen in ge— 
wisser We se sichtbar zu machen. Man weiß, daß im Kristall eine große 
Regelmäßigkelt der Lagerung besteht; im allgemeinen wird ein System 
von geradlinigen, in gleichem Abstand befindlichen Keihen gebildet, 
welches man als Raumgitter des Kristalls bezeichnet. Mit der Unter— 
suchung von Röntgenstrahlen beschäftigt, für welche er bei der Klein— 
heit ihrer Wellenlängen eines besonders feinen Beugungsgitters be— 
durfte, wie es künstlich nicht herzustellen war, kam M. v. Caue auf den 
genialen Gedanken, das natürliche Kaumgitter des Kristalls zu ver— 
wenden. Es galt den Versuch, ob bei der Durchstrahlung von Kristallen 
mit Röntgenstrahlen die nach der Theorie der atomistischen Kristallstruk— 
tur anzunehmenden Interferenzerscheinungen zustande kämen. Der Ver— 
such gelang glänzend; die photograph sche Platte zeigte jene Schar ge— 
365) J. h. van t'Hoff, Stereochemie, Deutsch v. Meyerhoffer 1881. 
36) Als „asymmetrisch“ bezeichnet man ein Kohlenstoffatom, dessen 4 Valen- 
zen durch 4 verschiedene Radikale gesättigt werden, eben weil hier durch verschiedene 
Anlagerung Körper entstehen können, die leine Symmetrieebene, wie sie die Kristalle 
aufweisen, besitzen. Übrigens ist verschiedene Konsiguration auch ohne asymme— 
trisches Atom möglich. 
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