Full text: Natur und Gott

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Strahlungs⸗ und Wärmeerscheinungen. 331 
Gleichviel ob man die Entropieform bevorzugt oder eine andre For⸗ 
mulierung (was von der Lage des zu untersuchenden Falles abhängt), 
gibt es eine einzige charakteristische Funktion, welche das gesamte thermo— 
dynamische Verhalten einer Substanz bestimmt und deren Kenntnis ein 
für allemal genügt, um alle Bedingungen chemisch-physikalischer Gleich— 
gewichtszustände, an denen die Substanz beteiligt ist, eindeutig abzu— 
leiten. Die Gesetze des chemischen Gleichgewichts lassen sich vollständig 
auf Messungen von Wärmekapazitäten und Wärmetönungen zurück— 
führen. Gleichgewicht eines Systems ist bei konstant gehaltener Tempe— 
ratur dann vorhanden, wenn die freie Energie ein Minimum ist. 
Berthelot hatte 1867 den Satz aufgestellt, daß jede chemische Um— 
setzung zur Entstehung derjenigen Stoffe Veranlassung gibt, welche die 
größte Wärmemenge entwickeln. Dieser Satz, der besagt, daß (wenn nicht 
eine fremde Energie störend eingreift) ein chemisches System demjenigen 
Endzustand zustrebt, welcher die größte Abnahme an Gesamtenergie 
gegen den anfänglichen besitzt, würde voraussetzen, daß die Anderung 
der freien Energie, die man als Maß der chemischen Affinität ansehen 
darf, mit der ünderung der Gesamlenergie des betreffenden chemischen 
Prozesses (der „Wärmetönung“) gleich wird, die Wärmetönung also von 
der Temperatur unabhängig ist. Das widerspricht den Tatsachen und 
nan hat daher Berthelots Satz aufgegeben. Indes trifft doch der Sinn 
der chemischen Kräfte zu häufig mit dem zusammen, in welchem ein 
chemischer Vorgang unter Wärmeentwicklung verläuft, als daß es sich 
um eine rein zufällige Berührung handeln könnte. Nernstes) erkannte 
(1906), daß es sich im Berthelotschen Satze um eine Grenzbestimmung 
handle, die beim absoluten Nullpunkt (42730 Celsius) voll erfüllt 
wird, dergestalt, daß hier Anderung der freien Energie (Affinität) und 
der Wärmetönung (spezifische Wärme) einander asymptotisch berühren, 
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wie wir annehmen wollen, unmerklich geringeres Niveau, so ist die marimale 
Arbeitsfähigkeit (die sog. „freie Cnergie“) des Sistems nicht nur der ursprünglichen 
Wärmemenge, sondern auch der unmerklichen Wärmeverminderung (bzw. ihrem 
Quotienten durch die absolute Temperatur) proportional; die Difserenz der freien 
Energie von der Gesamtenergie des Systems nennt man die „gebundene“ Energie; 
ihren Quotienten durch die absolute Temperatur hat Clausius Entropie genannt 
und sie steht zu jener verloren gehenden Energiegröße in gesetzmäßigem Ver— 
zältnis; günstigsten Falls (im umkehrbaren Vorgange) bleibt sie unverändert, 
nimmt aber bei allen irreversibeln Prozessen, d. h. streng genommen bei allen Natur— 
prozessen zu. 
55) W. Nernst, Theoretische und experimen!elle Grundlagen des neuen 
Wärmesatzes, 1918; M. Planck, Über neuere thermodynamische Theorien Mernst⸗ 
sches Wärmetheorem und Quantenhypothese). Vortr. 1911.
	        
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