Full text: Natur und Gott

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Die Relativitätstheorie und ihr Ausgangspunkt. 345 
Weltbildes zur Durchführung gebracht. Ferner ist die „Zeit“ ihrer psycho— 
logischen Genesis durchaus entrückt und zu einem völlig abstrakten mathe— 
natischen Begr'ff, wie der Raum, geworden. Im Grunde war das schon 
seit Newton nicht viel anders, aber die Zeitkoordinate behauptete doch 
den drei Raumkoordinaten gegenüber eine stets respektierte Sonderexi— 
stenz. An eine mit dem Raume kovariante Zeit war nie gedacht worden; 
nun aber wurde sie in notwendiger und unzertrennlicher Weise mit dem 
Raum verknüpft. Im Anschluß an geistvolle Kombinationen von Min— 
fowsli konnte man formulieren, daß erst Raum und Zeit zusammen, also 
eine vierdimensionale Mannigfaltigkelt, dazu hinreichen, einen Weltpunkt 
oder eine Weltlinie (ein Geschehen) darzustellen. In diesem vierdimen⸗ 
sionalen (d. h. aus drei Raumkoordinaten und der Zeitkoordinate be— 
timmten) Kontinuum der mechanisch-elek!ro⸗magnetisch-optischen Welt 
war die Zeitkoordinate mit den Raumkoordinaten eng verbunden, ja 
mathematische Kunst vermoch?e es, auch die letzten Spuren ihrer Sonder⸗ 
existenz zu verwischen und in geometrischer bzw. stereometrischer Ab⸗ 
bildung der Raumzeitebene oder eines dreidimensionalen Gebildes durch 
Hyperbeln oder Hyperboloide das Lorentz-Einsteinsche Längen-eit— 
Maßsystem in seiner eigenartigen Verschlungenheit von Raum und Zeit 
zu versinnbildlichen. Dementsprechend wurde von CEinstein auf eine voll⸗ 
ständig durchgeführte Symmetrie aller vier Koordinaten ein entschei⸗— 
dender Wert bei seinen Ansätzen gelegt. Daß eine vollkommene Sym⸗ 
metrie in der Behandlung letztlich doch so heterogener Größen wirklich 
das Interesse der Erfassung der physikalischen Wirklichkeit voll wahre, 
ist allerdings in der Literatur lebhaft bestritten; aber auch von Einstein 
selbst wird der wesentliche physikalische Unterschied der Seitkomponente 
zugestanden. 
Uberraschend sind gewisse phnysikalische Konsequenzen des Relativismus von 
Raum und Zeit. Einsteins Ausgangspunkt war die Konstanz der Lichtgeschwindig— 
keit. Die Konsequenz aber, auf die wir geführt werden, ist die, daß die Lichtgeschwin⸗ 
digkeit die höchste in der Natur erreichbare ist. Bom Standpunkt einer Überlicht⸗ 
geschwindigkeit würden natürlich die von ihm formulierten, Grenzen für die Un— 
bestimmtheit der Gleichzeitigkeit unzulässig; seine Transformationsgleichungen wür— 
den im gleichen Falle imaginär. Auch ein rein rechnerisches Überschreiten der Licht- 
geschwindigkeit durch Addition mehrerer Geschwindigkeiten erscheint nach seinem 
Theorem unmöglich. Es ist sehr wohl möglich, daß diese Kuffassung der Wirk⸗ 
üchkeit entspricht. Sicheres läßt sich darüber bei unserer Unbekanntschaft mit der Ge— 
schwindigkeit des Wirkens der Schwerkraft nicht sagen. Lehrreich bleibt jeden⸗ 
falls, daß auch die „Kelativitätstheorie“ eines absoluten Maßstabes nicht entraten 
kann. 
Vvon Interesse sind auch gewisse viel berufene Paradoxa, zu denen die Ver— 
bindung absoluter Lichttheorie mit relativer Seitauffassung führt. Natürlich darf 
man die Unbestimmtheit des Zeitbegriffes in der Einsteinschen Theorie nicht über—
	        
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