Full text: Natur und Gott

Die Quantentheorie und das Innere des Atoms. 387 
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sind von der Größenordnung der chemischen Reaktionsenergien. Dem— 
gemäß läßt sich auf quantentheoretischer Grundlage die sog. Elektronen— 
Affintät d. h. die Energie, welche frei wird, wenn sich ein elektronega— 
tives Atom (z. B. Chlor) mit einem freien Elektron zu einem negativen 
Atomion verbindet, berechnen (z. B. bei Chlor 89,3 Ral. pro Mol). Die 
ssahl der möglichen Jonisationsstufen eines Atoms ist gleich der Zahl 
seiner chemischen Valenzen. 
Betrachtet man ein Alkali-Element im Zusammenhange mit dem im perio⸗ 
dischen System ihm unmittelbar benachbarten und nennt die Zahl seiner Elek— 
tronen 2Z, so wird das Edelgas z —1, das „Erdalkali“ 7 61, die „Erde“ 72 Elek⸗ 
tronen im normalen Zustande haben. Wird nun das Alkaliatom ionisiert, so 
bleiben ihm 2 — 1 Elektronen, d. h. es besitzt den Habitus des voraufgehenden Edel⸗ 
gases usw. Nun nennt man das Spektrum des normalen Atoms Bogenspektrum, 
das des ionisierten Atoms (Jons) aber Funkenspektrum; in den Horizontalreihen 
des periodischen Systems wechseln aber Dublettsysteme (d. i. Systeme mit 2 eng zu— 
jammmengehörigen Linien) mit Triplets regelmähßig ab. Man muß also erwarten, 
daß die Aluminiumerde, deren Bogenspektrum ein Dublettsystem zeigt, im ioni— 
sierten Sustande in ihrem Funkenspektrum das Triplet⸗Spektrum aufweisen müsse, 
das dem Bogenspektrum des Erdalkali eigen ist; in der Tat hat sich diese An— 
nahme bestätigen lassen; ebenso hat das ionisierte Erdalkali dasselbe Spektrum 
wie das normale Alkali. 
Es zeigt sich also die Gleichwertigkeit oder Gleichartigkeit der Elek— 
tronen, welche man chemisch als die Palenzelektronen bezeichnet, zugleich 
aber auch die innere Beziehung zwischen den Phänomenen der Spektral⸗ 
analyse und denen der chemischen Wertigkeit. Ebenso sind die Dalenz⸗ 
kräfte identisch mit den Kräften, welche die Atome eines festen Körpers 
zusammenhalten. Aus der heutigen Erkenntnis des Wesens der Valenz 
wird verständlich, daß die Zahl der Valenzen, welche ein Atom im Mole— 
külverbande betätigt und insbesondere die Intensität der Valenz inner⸗ 
halb gewisser Grenzen variabel istisa). Aus der Erkenntnis des physikali⸗ 
cchen Wesens der Valenzkräfte die RKeaktionen vorauszusagen, ist noch nicht 
möglich, aber hinsichtlich der chemischen Wirkung in ihrer Abhängigkeit 
oon den äußeren Bedingungen und von dem Verhältnis der aufeinander 
reagierenden Massen, dem Druck und der Temperatur sind glänzende Er— 
folge erzielt worden. Die sog. Stabilität der chemischen Verbindungen 
kann man als Resultante zweier entgegengesetzter Kräfte betrachten, der 
eigentlich chemischen Kraft, die die Atome im Molekülverbande zu halten 
sucht, und einer andern, von äußern Einflüssen, insbesondere der Cem⸗ 
peratur abhängigen, die eine ungeordnete Bewegung erzeugt und so⸗ 
mit den Verband zu lockern strebt. Man kann daher in vielen Fällen 
durch Anderung von Temperatur und Druck eine erfolgte chemische Reak— 
1884) Vgl. oben S. 319. 
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