Full text: Natur und Gott

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Die Teilungsvorgänge der Keimzelle und ihre Deutung. 441 
tändnis der Ontogenese, insbesondere aber für die Auffassung der Ver— 
erbung sehr wichtig geworden sind. Beachten wir zunächst den Pro— 
zeß, der bei jeder Teilung einer Zelle, also bei jedem Wachstumsvor— 
gang, einsetzt. In den Einzelheiten besteht große Mannigfaltigkeit, aber 
überall läßt sich ein bestimmtes Schema wiederfinden: In den Mittel⸗ 
punkt des Geschehens tritt der Zellkern, und die wesentlichen Grund— 
züge seiner Teilung sind bei den verschiedenen Tier- und Pflanzentypen 
die gleichen. Sobald sich der Zellkern zur Teilung anschickt, gerät sein 
Inneres nebst dem Protoplasma der nächsten Umgebung in eigentüm— 
liche Bewegung. Zuerst verlängert sich der Kern und nimmt Ei⸗ (oder 
Birnen⸗) form an, an welcher zwei Pole zur Ausbildung gelangen. Im 
Innern treten Verdichtungen auf, und es erscheinen scharf umgrenzte, 
mehr oder weniger stark gewundene, annährend gleich dicke Fäden (die 
Thromosomen). Es läßt sich nun eine bandförmige Abflachung der Chro— 
nosomen beobachten, der eine Längsspaltung, eine Zerlegung jedes 
Bandes in zwei schmälere folgt; zu einer sofortigen Trennung kommt 
es jedoch nicht. Die Ciform des Kernes, dessen Abgrenzung gegen das 
Protoplasma schwindet, geht über in die einer zweipoligen Spindel. 
Jede Längshälfte eines Chromosoms erhält Spindelfasern nur von 
einem Pole; dadurch werden die Chromosomen der Aquatorialebene der 
Spindel eingereiht und ihre Längshälften den entsprechenden Polen zu— 
gewandt. Die Trennung erfolgt, und an den Spindelfasern entlang wan— 
dern beide Gruppen gegen ihre Pole; die Fäden verdicken sich und bilden 
sich zum Ausgangsstadium zurück; aus dem Mutterkern sind zwei Tochter— 
kerne geworden, die dann auch das Protoplasma unter sich aufteilen und 
den Zerfall der Zelle in zwei Hälften herbeiführen. In dem Bildungsvor— 
gang (der Längsspaltung der Chromosomen) ist es offenbar begründet, 
daß jeder Tochterkern in allen Einzelheiten seinem Mutterkern gleicht. 
Die Vermutung liegt nahe, daß die Kernverteilungsfiguren nur die 
Mittel sind, um die Kernsubstanz in zwei nach Masse und Beschaffenheit 
gleiche Hälften zu zerlegen und den Tochterzellen zuzuführen. Dafür, 
daß die bezeichneten Vorgänge für die Fortleitung der Eigenschaften des 
Organismus zu jeder neu entstehenden Zelle besonders bedeutsam sein 
nüssen, spricht, daß bei der gleichen Tierart die Kernteilungsfiguren 
in jedem Gewebe genau dieselbe Anzahl von Chromosomens?) zeigen; 
dagegen ist die Anzahl bei verschiedenen Arten eine sehr ungleiche (von 
zwei bis über hundert)s). In allen Teilen desselben Organismus 
88) Aber die sog. Geschlechtschromosomen vgl. später. 
809) Für den Menschen werden meist 32 genannt, doch schwanken die An— 
gaben (was bei der Kleinheit der Kerne nicht verwundern kann).
	        
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