Das Leben und seine Formen.
formierten Mechanismen der Ontogenese und die behauptete innere
Gleichwertigkeit aller Zelllerne. Hervorgehoben sei Häckers Kernplasma—
theorie: Wenigstens in einzelnen Fällen lasse es sich wahrscheinlich
mochen, daß das Schicksal der einzelnen Zelle sich nicht (wie bei Hertwig)
zufällig gestaltet, sondern schon bei ihrer Entstehung auf Grund asym—
metrischer Verteilung der innern Qualitäten prädestiniert sei; Häcker
nimmt also (mit Weismann) ungleichartige Zellteilungen an, deren Ur—⸗
sache in einer bereits vorher bestehenden polaren Konstitution des Proto-
plasmas und seiner Teilchen liegen mag. Vielfach lassen sich, wie H.
angibt, zwei Strecken der Keimbahn unterscheiden, ein rein germina—
tiver Abschnitt, wo sich die Gestaltung der Urgeschlechtszellen bis zum
reifen Fortpflanzungselement vollzieht, und ein somato-germinativer, wo
die Zellen für differente Gewebe sich bilden. Letztere Strecke stellt mehr⸗
fach eine fortlaufende Kette von ungleichartigen Zellteilungsprozessen
dar, aber auch auf der rein germinativen Strecke sind solche häufig. Man
kann die ungleichen Teilungen der somato-germinativen Strecke als
Mittel für die Differenzierung der Gewebe deuten, auf der germinativen
Strecke als Mittel für die Spaltung des Anlagematerials. Man kann
weiter annehmen (wozu Anlaß besteht), daß dasselbe Zellplasma
mehrere voneinander unabhängige, einander korrespondierende, also
miteinander konkurrierende Anlageelemente, insbesondere als Erbteil
verschiedener Eltern- oder Vorelternteile, besitzt, die bei ungleicher Tei—
lung polar auseinandertreten können. Dann erhält, auch wo der Kern
eine typische Teilung erfährt, das Sellplasma der Tochterzellen vor—⸗
wiegend nur determinierte Teilchen einer Sorte. Es vermag aber bei der
Wechselwirkung zwischen Kern und Protoplasma das Zellplasma gemäß
seinem quantitativen Übergewicht auf die Kernsubstanz zurückzu—
wirken, bzw. heterogene Bestandteile des Kernes zu neutralisieren.
Diesen Gedankengang hat Häcker neuestensnoe) durch eine interessante und
folgenreiche Ausgestaltung des Pluripotenzbegriffes erweitert. Er ver—
steht darunter die jedem Organismus eignende virtuelle Fähigkeit, unter
besondern Bedingungen bestimmte, vom Typus abweichende Entwicklungs⸗
richtungen einzuschlagen. Die Grundlage dafür bildet die von Driesch
ten Bestandteilen des Zellkerns überhaupt ab und betont, daß es sich bei der Ver—
erbung um eine Übertragung des gesamten Lebensbetriebes der Zelle (nicht ein⸗
zelner Stoffe) handeln müsse, vgl. besonders die gegen Routr geschriebene „Kausale
und konditionelle Weltanschauung“, 1912 s. z0ff. In der Tat wird es aͤmmer
wahrscheinlicher, daß die periphere Plasmaschicht einen Hauptfaktor der primitiven
Entwicklung bildet (5. f. wiss. Zool. 1925 5. 233, 6. Reith).
oc) Dal. Haecker, Pluripotenzerscheinungen, Synthetische Beiträge zur Ver—
erbungs⸗ und Abstammungslehre 1925.