Full text: Natur und Gott

Das Leben und seine Formen. 
In andre Richtung weisen die Ergebnisse der Kreuzungsversuche, 
sofern im Ganzen genommen der hartnäckige Widerstand gegen Kreu— 
zung überwiegt, aber auch wo Befruchtung herbeigeführt wird, sterben 
in vielen Fällen die Embryonen frühzeitig ab oder erhalten eine schwäch— 
liche Konstitution. Insbesondere zeigt sich nicht selten, auch wo sie von 
ganz kräftigem Körperbau sind, eine Schwächung der Zeugungsorgane, 
so daß sie unfruchtbar bleiben, oder es treten Störungen in der Spermio— 
bzw. Ovogenese auf, die auf Antagonismus der Bildungstendenzen und 
letztlich auf Unverträglichkeiten chemischer Art hinweisen. Darin zeigt 
sich, daß es nicht genügt, die Anlagen verschiedener Arten zu mischen; 
sondern die Mischung muß auch in sich einheitlich genug sein, um sich 
erhalten und fortpflanzen zu können. Die Arten sind eben besonders 
dauerhafte Genotypen. Doch hat das Kriterium der Unfruchtbarkeit als 
arttrennender Schranke eine entscheidende Bedeutung nicht, und letztlich 
kann nur der Versuch selbst entscheiden. 5. B. hat man von Apfel⸗- und Birn⸗ 
baum trotz ihrer nahen Verwandtschaft noch keine Bastarde erhalten, wohl 
aber zwischen Pfirsich und Mandel und selbst zwischen Ente und Fasan. 
Es kommen alle erdenklichen Unterschiede zwischen vollkommener Frucht— 
barkeit und vollkommener Sterilität vor. Auch hat man in einzelnen 
Fällen sogar sprunghafte Zunahme der Fruchtbarkeit bei Artbastarden 
feststellen können. Unsicher ist es, ob für die Artkreuzung die gleichen 
Gesetze gelten wie für die Kreuzung untergeordneter Sippen. Früher 
nahm man auf Grund der wenigen bekannten Fälle eine Konstanz der 
Ureuzungsprodukte an. Aber diese hat sich nicht bestätigt, sondern min— 
destens in weitem Umfange gilt auch hier die Regel alternativer Ver— 
erbung, so daß vielfach ein prinzipieller Unterschied zwischen Art- und 
Sippenbastarden überhaupt nicht anerkannt wird. Auch völlig beständige 
Bastardformen scheint es zu geben. 
In sichtlicher Umwandlung begriffen ist ferner der in der Entwick— 
lungslehre bedeutsam gewordene Begriff des Atavismus, des Rückschlags 
in einem oder mehreren Merkmalen auf weit zurückliegende Vorfahren, 
sei es, daß der genetische Zusammenhang historisch nachweisbar ist oder, 
wie in der Mehrzahl der Fälle, nur systematich konstruiert wird. Bei 
Rückschlag auf eine wirklich nachweisbare Form handelt es sich um das 
gesetzmäßige Auftreten rezessiver (mehr oder minder lange im Phäno⸗ 
tnpus unterdrückter) Gene oder (wie bei der Wildfarbe) um das Zusam— 
mentreffen von zwei oder mehreren getrennten Faktoren. Es findet also 
in beiden Fällen nicht ein vollständiges Neuauftreten alter verschwun⸗ 
dener Merkmale statt, vielmehr sind die Erbeinheiten, durch deren Kom⸗ 
binierung die Charaktere der Stammform gebildet werden, in den ver⸗ 
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