Full text: Natur und Gott

Probleme der Entwicklungstheorie. 487 
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als ursprünglich verschieden (Polnphyletismus) denken, eine Annahme, 
die heute mindestens für die großen organischen Formenkreise bevorzugt 
wirdtie). Es ist bei der Kompliziertheit der organischen Entwicklung sehr 
wohl möglich, daß beide Annahmen, ursprünglicher Verschiedenheit wie 
auch ungleicher Teilung desselben Erbes, ihren eignen Geltungsbe— 
reich haben. 
Neben der chemischen und der phnysiologischen Hypothese ist natür⸗ 
lich auch die psychologische durchführbar. Ein äußerer Anlaß gibt dann 
als Reiz den Impuls zu verschiedenen Richtungsänderungen im Orga— 
nismus; der Organismus als CEinheit aber verwertet diese Impulse zu 
einer harmonischen, einer einheitlichen Gesamtrichtung dienenden Kich— 
tungsänderung's). Es erscheint nicht aussichtslos, alle diese Gesichtspunkte 
zusammenzufassen, aber von einer innerlich zusammenhängenden und 
für alle vorliegenden Fälle ausreichenden Entwicklungshypothese kann 
heute noch keine Rede sein, geschweige denn von einer gesicherten Theorie. 
Nägeli stellte sich die von ihm angenommene Vervollkommnung 
als einen Fortschritt zu immer größerer Kompliziertheit des Baues und 
zu größerer Teilung der Arbeit vor. Wie allgemein zugestanden, spielt 
diese Kompliziertheit eine wesentliche Kolle, indes fehlt es bei Nägeli 
noch an einem Gegenpol zur morphologischen Differenzierung bzw. zur 
Dermehrung der Komplikation. Mit feinem Geschick hat Spencert) 
die polaren Züge, die ihm die Entwicklung überall zu tragen scheint, 
zusammengefaßt; er bezeichnet sie als den Ubergang von unzu— 
sammenhängender Gleichartigkeit zu zusammenhän— 
gender Mannigfaltigkeit; die Homogene differenzieren sich, 
und die Mannigfaltigkeit integriert sich. Damit scheint die Form der 
Tntwicklung als eines Ausgleichs von Gegensätzen sehr 
glücklich beschrieben. Natürlich läßt sich annehmen, daß in vielen Fällen 
die Ausbildung der Differenzierung (wobei die Anpassung stets eine 
hedeutende Rolle spielen wird) dem Entwicklungsvorgang sein charakte— 
ristisches Gepräge geben wird; es läßt sich aber auch denken, daß in 
andern Fällen der Integrationsprozeß, die Unterordnung 
aller Teile unter dielebendige Einheitdes Ganzen die 
entscheidende Leistung sein werde. Für beides bietet die leben— 
dige Natur Belege. 
Neben der Cinheit des individuellen Organismus ist auch die Ein— 
heit der organischen Welt überhaupt zu beachten. Für eine solche kann 
172) Siehe oben S. 470ff.; unten 501 f. 
173) Wagner a. a. O. S. 258f. 
174) Die Prinzipien der Biologie übs. v. Vetter 1876.
	        
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