Full text: Natur und Gott

504 Der Mensch im Lichte der Naturwissenschaft. 
erectus als Mittelform zwischen Anthropoiden und Mensch vorgestellt 
hatte. Schwalbe fand in ihm wegen seines großen Gehirns und seiner 
aufrechten Haltung (die aus dem Oberschenkelknochen erschlossen werden 
kann) eine schöne Zwischenform zwischen Anthropoiden und Mensch, R. 
hertwig sprach den Kest einer ausgestorbenen reinen Affenart zu, Virchow 
bestritt die Zusammengehörigkeit der auseinanderliegend gefundenen 
Knochenreste. Der Fund wird noch heute verschieden beurteilt. Indes ist 
durch die Selen kasche Expedition (1907) sichergestellt, daß die Schichten der 
Fundstätte dem Quartär, d. h. dem Diluvium (und Alluvium), angehören, 
d. h. einer Zeit, aus welcher heute völlig zuverlässige Funde bekannt 
sind. Ferner betont Friedenthal gegenüber Schwalbes letzter Veröffent— 
lichungo), daß die Schätzung des Schädelinhaltes an den vorliegenden 
Kesten, da der Unterteil gänzlich fehlt, auch nicht einmol mit einiger 
Wahrscheinlichkeit vorgenommen werden könne und bezweifelt auch die 
anfänglich behauptete Hylobates-AÄhnlichkeit; endlich zeigt der Ober— 
schenkelknochen menschliche Form und erweist sich sogar gestreckter als 
beim Neandertal-Skelett. Vielleicht darf von der Diskussion der 1925 
erfolgten authentischen Beschreibung des Fundes durch Dubois eine ent— 
giltige Klärung erhofft werden. 
Die Kluft zwischen dem Pithecanthropus (mit angeblich 850 
Kubikzentimeter Schädelvolumen gegenüber 600 bei den größten An— 
thropoiden) und dem Menschen der Gegenwart (ca. 1550) suchte Schwalbe 
zu überbrücken, indem er die im Neanderthal bei Düsseldorf schon 1856 
in einer höhle gefundenen Skelettreste (zweifellos wirkliche Menschen— 
reste) als vermittelnde Form (mit 1230 ems Schädelvolumen) auffaßte. 
Der CEinwand Rud. Dirchows, daß es sich um eine pathologische Ent— 
artung, eine sog. Kümmerform, handeln könne, wurde durch weitere 
Funde, zwei Skelette aus Spy bei Namur (1887)10), eine Kinnlade aus 
der Schipkahöhle in Mähren, endlich zahlreiche zerbrochene und ange⸗ 
brannte Menschenknochen zu Krapina in Kroatien (1901/2)11) wider⸗ 
legt. Als hauptergebnis dieser Untersuchungen bezeichnet Kohlbruggere), 
daß „das Cranium Neandertaliense Formen zeigt, die niemals bei 
9) Anthropologie hrsg. von G. Schwalbe und E. Fischer (Aultur der Gegen⸗ 
wart up 5. Kap. 5). 
19 O. Walckhoff, Die diluvialen menschlichen Unterkiefer Belgiens und ihre 
pithecoiden Eigenschaften O3 (Studien über Entw.gesch. hrsg. v. Selenka). 
34) Vgl. Gorjanowitz-Kramberg, Der diluviale Mensch von Krapina 606 
(Studien über die Entwicklungsmechanik des Primatenskeletts Liefrg. 2). 
12) A. a. O. s. 13. Vgl. auch Schwalbe, Die Vorgeschichte des Menschen 04, 
sowie in der Anthropologie in „Rultur der Gegenwart“.
	        
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