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Bedeutung der Natur für die KReligion.
J. Die Bedeutung der Natur für die Keligion
und für ihre Geschichte.
1. Einfühlung in die Natur und ihre Voraussetzungen.
Wir wenden uns der ersten Aufgabe zu und versuchen zu zeigen,
welchen Eindruck die Natur auf den religiösen Menschen ausgeübt hat.
Unsere Absicht bringt es mit sich, daß wir dabei von allen Einflüssen
naturwissenschaftlicher Erkenntnis zunächst absehen müssen. Aber auch
bei der strengsten Begrenzung bleiben die höhenpunkte der Religionsge⸗
schichte bis zum Brahmanismus und Buddhismus, zu den Anfängen des
Christentums und des Islam im Bereiche unserer Darstellung. Natürlich
ist hier nicht von chronologischer Abgrenzung die Rede, sondern von sach⸗
licher, so daß auch die primitiven Keligionen und alle Volksreligion bis
an die Schwelle der Jetztzeit als Gegenstand dieser ersten Untersuchung
gemeint sind. Nichts wäre verkehrter, als den hiermit begrenzten Stoff
unter einen gemeinsamen positiven Nenner bringen zu wollen; die Unter—
schiede sind vielmehr denkbar groß; gemeinsam ist all diesen Gestaltungen
nur das Eine, für uns Entscheidende, daß die Auffassung der Natur
überall eine vorwissenschaftliche ist; man darf nicht etwa sagen, eine
naive, denn wir begegnen schon kühnsten Spekulationen, aber solche aus⸗
zuschließen, besteht durchaus kein Grund, weil auch ihre Poraussetzungen
durchaus vorwissenschaftliche sind. Wir schließen also alle Nuancen der
Naturbetrachtung in unserer Untersuchung zusammen von der naivsten
bis zur kühn spekulierenden, von der gemein egoistischen bis zur reinst
ethischen, von der nüchternsten bis zur vollendet poetischen. Unter diesen
Gesichtspunkten (oder irgendwelchen andern) eine äußere Trennung im
Stoff verzunehmen, würde verfehlt sein, weil wir dadurch die rein inner⸗
liche Differenzierung der Anschauungen stören würden. Sehr Primitives
und sehr Sublimes sind oft in der Religionsgeschichte wundersam ver⸗
bunden.
Naoch in anderer hinsicht müssen wir den Gegenstand unserer Unter⸗
suchung begrenzen. Es wird hier nicht beabsichtigt, die Frage der ge—
schichtlichen Entwicklung der religiösen Naturanschauung oder gar nach
den letzten Ursprüngen der Religion aufzuwerfen. Diese im Grunde
rein spekulative Untersuchung anzustellen, hat für unsern Zweck keinen
Wert. Eine genetische Darstellung ist freilich notwendig; ohne sie müßte
es bei einer bloßen Sammlung unverarbeiteten Materials bleiben; aber
es genügt, eine psychologisch⸗genetische Entwicklung zu versuchen. Denn
nur darauf kommt es an, die Gesamtheit der Gesichtspunkte und psycho—
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