Full text: Natur und Gott

516 Der Mensch im Lichte der Naturwissenschaft. 
zerfallen, die den Keflexen und Instinkten ähnlich sind; anscheinend 
werden sie durch Unterschiedsempfindlichkeiten des Tieres abgemildert; 
auch weisen sie meist eine Beziehung zu seinem Interesse auf; so sind 
nach Loebts) junge Raupen von Porthesia positiv heliotrop nur, so lange 
sie nüchtern sind und werden durch den Keiz zu den Spitzen der Bäume 
geführt, wo sie ihre Nahrung finden. Gegen ein bloß phnsikalisches Ge— 
schehen sind also diese Phänomene durch das Prinzip der Reizverwer— 
tung bestimmt abgegrenzt. Kohnstammss), der dies Prinzip aufgestellt 
—äD 
nung strebt jeden sie treffenden Reiz derart zu verwerten, daß dabei der 
Bestand derselben in optimaler Weise gewahrt wird. Ob dies Prinzip 
als direkt psychisch oder nur dem Psychischen analog (sagen wir psychoid) 
zu fassen ist, bleibe hier unerörtert; jedenfalls gilt es für alle Organis— 
men. Für die Pflanze ist durch Haberlandts“o) Untersuchungen Selbst— 
gestaltungskraft und direkte Anpassungsfähigkeit, für die höheren Pflan— 
zen ein Sinnesleben mit Sinnesorganen, Keizrezeption, Keizleitung und 
Keizaktion festgestellt, und man wird für die Tierwelt von ihren An— 
fängen an nichts Geringeres in Anspruch nehmen dürfen. Es läßt sich 
freilich nicht zwingend erweisen, aber auch nicht widerlegen, wenn schon 
für Stufen des Lebens, „die weit hinter den ersten Keimen eines Ner⸗ 
vensystems zurückliegen“, „ein gewisses Etwas“ angenommen wird, 
dessen „die leblosen Massen der Natur nicht teilhaftig sind und das doch 
vielleicht auf ein in weiter Ferne liegendes bewußtes Prinzip 
zurückgehtsu). 
Unsere Urteile werden erst sicherer und durch Tatsachen gestützter, 
wenn wir uns höheren Tierklassen zuwenden. Daß etwas wie Berührungs-⸗ 
empfindung oder doch ein Analogon zu dem, was wir so nennen, schon 
bei den Protozoen vorhanden ist, wird wohl nicht bestritten werden 
können; von dem, was wir Wahrnehmungsempfindung nennen, sind 
mindestens Geruchs⸗ und Lichtperzeptionen sehr früh vorhanden; wie sich 
allmählich die Sinne und die Sinnesorgane entwickeln, verfolgen wir 
hier nicht weiter. Daß von jeder Erregung eine Spur zurückbleibt, wird 
von vielen Physiologen angenommen. Damit ist dann ein dem Gedächtnis 
analoger Faktor, den, wie wir schon sahen??), zahlreiche Forscher dem 
B) vgl. Jennings, Behaviour os the lower Organisms 06. 
40) Intelligenz und Anpassung, Annalen der Naturphil. 03. 
s0) Gottl. haberlandt, Physiologische Pflanzenanatomie, 3. Aufl. 06. Uber 
Keizbarkeit und Sinnesleben der Pflanzen, Vortrag 08. 
s1) W. v. Bechterew, Bewußtsein und Hirnlokalisation, deutsch von Wein— 
berg, 98, 5. 11. 
s2) Siehe oben S. 446 f.; vgl. 426 Anm. 63.
	        
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