38 Bedeutung der Natur für die Religion.
emotionale, wie es in jeder bewußten Willenshandlung, jedem Wunsch
zutage tritt, aber auch der Kunst und der Religion zugrunde liegt. Es
besteht kein Grund, diesem Denken den logischen Charakter abzusprechen,
denn alle Grundbegriffe und Grundfunktionen des Denkens, der ganze
Apparat der Kategorien und Anschauungsformen tritt auch bei diesem
Denken in Tätigkeit, aber dabei bleibt es doch in seiner Grundlage vom
kognitiven Denken charakteristisch verschieden. Erkennen ist überall Auf—⸗
fassung eines Wirklichen, auffassende Vorstellung eines realen, in den
raumzeitlichen Kausalzusammenhang der wirklichkeit eingegliederten Ob⸗
jekts; beim emotionalen Denken aber ist der Zusammenhang des Objekts
mit diesem Wirklichkeitszusammenhange zwar nicht völlig aufgehoben,
aber nirgends allein entscheidend; sei es nun eine gewollte, gewünschte
oder erträumte Welt, eine Welt ästhetischer, religiöser oder ethischer
Ideen, in welche das Objekt hineingestellt wird, jedenfalls fällt diese
Welt mit der wirklichen, vom Erkennen aufgefaßten, nicht restlos zu⸗
sammen. Fragen wir aber, worin die Abweichung wurzelt, so kann
man antworten, daß es freie Phantasietätigkeit ist, die bei diesen Denk—
prozessen mitwirkt. Indes genügt diese Auskunft noch nicht, denn auch
beim Erkennen spielt die frei gestaltende Phantasie eine entscheidenda
Kolle. Jede bedeutende Wahrheit muß erst im freien Spiel der Gestal⸗
tungskraft dem Forscher aufgegangen sein, ehe er durch genaue Prüfung
sie zu bestätigen und dauernd zu gewinnen vermag; aber hier steht die
Phantasietätigkeit ausschließlich im Dienste der Erkenntnis, dagegen im
emotionalen Denkprozeß im Dienste des Gefühls und des Willens. Be—
sonders deutlich läßt sich das an dem entscheidenden Punkte zeigen, an
dem Bewußtsein der Notwendigkeit und der daraus folgenden Evidenz
jedes normalen Denkaktes. Dies Bewußtsein fehlt bei emotionalen Denk⸗
akten ebensowenig wie bei kognitiven; in allen Fällen erscheint der Denk⸗
akt durch gegebene Vorstellungsdaten gefordet, aber diese Voraus—
setzungen sind eben verschiedenartige Dem Wahrnehmungsurteil liegen
bestimmte Empfindungsdaten zugrunde; das ästhetische Urteil beruht auf
der Reinheit und ungehinderten Kraft, mit der sich die ästhetische Stim—
mung im Bewußtsein zur Geltung bringt; auch das Gewissensurteil ist
ein unmittelbar gefühlsmäßiges; ebenso zeigt sich die suggestive Wirkung
des Affekts in der apodiktischen Sicherheit, mit der die religiösen Urteile
im Unterschiede von der Problematik aller Metaphysik auftreten. Die
Denknotwendigkeit ist hier überall wesentlich gefühlsmäßig motiviert.
Die gefühls- oder willensmäßig motivierte Phantasietätigkeit zeigt
zwar in ihren verschiedenen Kichtungen nicht zu übersehende Unter—
schiede; man darf insbesondere die Eigenart der religiösen Phantasie—
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