534 Der Mensch im Lichte der Naturwissenschaft.
findet eine, relativ sparsame, Derbindung beider Seiten durch Kreu—
zung statt, indem manche Fasern in der Gegenseite auf⸗- oder absteigen.
Jede sensible Faser ist direkt mit der nächstliegenden motorischen ver⸗
hunden („direkter Reflexbogen“); auf solcher Verbindung beruht es z. B.,
wenn man unwillkürlich das Bein zurückzieht, wenn es mit einer Nadel
gestochen wird. Komplizierter wird die Verbindung mit andern auf⸗
oder abwärts liegenden motorischen Zellen, die oft auf erheblichen Um—
wegen, durch Einschaltung eines Zwischenneurons (sog. „Strangzelle“)
hergestellt wird. Dieser „indirekte“ Keflexbogen ermöglicht, da die
Strangzelle Verbindungen sehr verschiedener Art herstellt, eine vielsei—
tige Keflextätigkeit. Unter anderm kommen auf diese Weise zweckmäßige
Bewegungskombinationen zustande, welche auch ablaufen, wenn der Zu—
jammenhang des Rückenmarks mit dem Gehirn unterbrochen ist; ein ge—
köpfter Frosch springt in gewohnter Weise, ein geköpftes huhn flattert und
läuft davon. Die Nerven der Atemmuskeln, des herzens usw. vermögen
ihre geordnete Tätigkeit aufrechtzuerhalten. Mit Zerstörung der betr. Zen—
tren im Mark (bzw. im „verlängerten Mark“) hört die zweckmäßige
Tätigkeit (sofern sie nicht von peripherischen Ganglien in gewissem Um—
fange erhalten wird) auf, während die Reizbarkeit aller einzelnen Ner—
ven sich erhalten kann. Von auf- und absteigenden Bahnen, welche die
Verbindung mit höher gelegenen Teilen vermitteln, sind auf Grund
physiologischer und pathologischer Erfahrungen etwa 20 ermittelt, deren
Bedeutung freilich noch längst nicht überall sicher feststeht. Die meisten
der aufsteigenden Bahnen erreichen in den Ganglien des verlängerten
Markes (im halse gelegen) Umschaltestationen, von denen aus sie, z. T.
unter Kreuzung auf die andre Körperhälfte, ihrem Siele zugeleitet werden.
Ein wichtiges Ziel ist das im Hinterhaupte gelegene Kleinhirn,
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der beweglichen Körperteile, über Spannungs- und Druckzustände usw. zu—
fließen; es ist das leitende reflektorische Organ für die Aufrechterhaltung
des Körpergleichgewichts und für das normale Ineinandergreifen der Kör⸗
perbewegung. Reizung des Organs ergibt Bewegungen der Extremitäten
und der Gesichtsmuskulatur, Verletzungen führen Zwangsbewegungen
und ataktische Erscheinungen herbei; auch erhebliche Störungen des
Muskelssinns treten auf. Schwere Verletzungen des Mittelhirns
(das mit dem Kleinhirn vielfache nervöse Verbindung besitzt) rufen eben⸗
falls mannigfache Zwangsbewegungen hervor; hinzu kommt die Wir—⸗
kung von Schwindelempfindungen, welche durch die Verletzung erregt
werden. Huch können Täuschungen eintreten, als bewegten sich die Ob⸗
jekte der Außenwelt nach einer bestimmten Richtung; diese fiktiven Be—