542 Der Mensch im Lichte der Naturwissenschaft.
hältnis. Sollten sich diese Annahmen in vollem Umfange bestätigen, so
würde damit die Entstehung der Keimschädigungen dem Verständnis er—
schlossen, vielleicht auch die Vererbung „erworbener“ CEigenschaften be—
greiflicher werden. Auf alle Fälle aber zeigt sich deutlich, was nur zu
leicht übersehen wird, daß das Gehirn nicht nur die Tätigkeit der Mus—⸗
kulatur der willkürlichen Bewegungen, sondern auch die sog. vegetativen
Funktionen der Ernährung und Sortpflanzung in hohem Maße reguliert
und auf alle innern Organe einen weitreichenden Einfluß ausübt.
7. Die zentralen Sinnes⸗ und Sprach⸗-⸗Apparate.
Wenden wir uns den zentralen Sinnesapparaten zu, so können
einige allgemeine Bemerkungen der Betrachtung der Einzelheiten vor—
angeschickt werden. Eine Überlegenheit des Menschen in der Ausbil—
dung der Sinnesfelder gegenüber den Tieren besteht bekanntlich im all—
gemeinen nicht; der enorm ausbildbare Spürsinn des Hundes erscheint
noch als etwas Kleines gegenüber der Wahrnehmungsfähigkeit des
Pferdes, das geradezu die Gedanken seines Reiters zu lesen versteht aus
den leisen Bewegungen, die jene begleiten. Demgemäß sind die Sinnes—
apparate der Tiere, wie die anatomische Untersuchung zeigt, vielfach
weit größer als die entsprechenden Zentren des Menschen. Was diesen
auszeichnet, ist nur eine größere Ausgeglichenheit und zugleich eine
stärkere Differenzierung der Funktionen, der auch, wie noch gezeigt
wird, gewisse anatomische Veränderungen zugrunde liegen. Die relativ
primitive Art der zentralen Sinnesapparatur erhellt auch aus der von
Slechsig gemachten Beobachtung, daß die Sinneszentren im Kinde ganz
unabhängig voneinander heranreifen und dann erst Verbindungen
untereinander erhalten; der „segmentale“ Charakter der ältesten zen—
tralen Systeme hat sich also auch auf dieser Stufe erhalten. Immerhin
bleibt zu beachten, daß zwar die Sinnesepithelien der Aufnahmeapparate
für jedes Sinnesorgan eine spezifische Form besitzen, je nachdem sie che—
mische oder mechanische Reize aufnehmen oder periodische Wellenbewe—
gungen zählen, daß dagegen die höheren Zentren einen mehr einheit—
lichen Charakter tragen. Man kann daraufhin die Vermutung wagen, für
die auch sonst manches spricht, daß die Spezifität der Sinnesleitung an
jeder Umschaltestelle, mit jedem neuen Ganglion sich ändert Monakow),
und so die Art des von außen kommenden Reizanstoßes immer mehr in
die dem Organismus eigentümliche umgewandelt wird. Eine ansprechende
VDermutung von Cayalew Kamon ist es, daß der in zentralen Endstätten
angekommene Erregungsstrom sich auf benachbarte Zellen gleicher phy⸗
siologischer Bedeutung fortpflanzt und so die anfängliche Erregung ver—
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