Full text: Natur und Gott

550 Der Mensch im Lichte der Naturwissenschaft. 
Tage“. Was dem entgegensteht, hat man als zentrale helligkeits- oder 
Farbentransformation bezeichnetus). Auch zeigt sich, daß bei Erkran— 
kung der einen Sehsphäre Kranke eine einfache symmelrische Figur, die 
ihnen so dargeboten wird, daß ein Teil sich nur auf der blinden Netz— 
hauthälfte abbildet, gleichwohl als eine vollständige erblicken können 
(totalisierende Gestaltauffassung)u. In besonderem Maße zeigt sich 
die Aktivität der Sehsphäre in der Vision. Reizungen eines Zentrums 
haben im Gesamtgesichtsfelde das Auftreten von Licht- und Farbener—⸗ 
scheinungen oder Gesichtshalluzinationen zur Folgens), Vielfach ver— 
drängt das halluzinationsbilo ganz die von den Gegenständen der wirk 
lichen Umgebung ausgehenden Eindrücke; in andern Fällen findet eine 
mehr oder weniger weitgehende Verschmelzung statt; auch bewegt sich 
die Erscheinung häufig mit dem Blicke des Halluzinierenden. Die Far— 
ben werden häufig in der Halluzination nur abgeblaßt wiedergegeben; 
doch fehlt es nicht an berühmten Beispielen völlig ausgeprägter Ge— 
sichtsphantasmen; bekannt sind die Inanitionshalluzinationen bei Fasten⸗ 
den. Keineswegs darf man diese Halluzinationen, die in der Religions⸗ 
geschichte eine große Rolle spielen, mit Geisteskrankheit auf eine Stufe 
stellen: Nicht minder als in der Pathologie haben sie in der Geschichte 
der Genialität ihre berechtigte Slelle und sind mit der genialen Intui— 
tion durch unmerkliche Übergänge verbunden. 
Wenden wir uns den krankhaften Störungen der Sehrinde zu. 
Beiderseitige Zerstörung der Sehsphäre bringt totole sog. „Rinden-“ 
blindheit mit sich, einseitige führt zu starker Beeinträchtigung des Seh— 
feldes (Hemianopie), die aber stets ein wenn auch äußerst eingeengtes 
Feld zentralen Sehens freiläßt. Von besonderem Interesse ist das Phä— 
nomen der „Seelenblindheit“. Mit diesem Ausdruck bezeichnete Munk 
eine „Zerstörung der optischen Erinnerungsbilder“. Vorsichtiger wird 
man von einer Unfähigkeit sprechen, Gesehenes zu erkennen bzw. wieder⸗ 
zuerkennen und in seiner Bedeutung zu verstehen. Die Gegenstände 
werden zwar nach ihrer Form, Schattierung und Farbe deutlich und 
scharf gesehen, machen aber dem Patienten einen fremdartigen Eindruck; 
er weiß sie weder zu benennen, noch irgendwie, sei es auch nur durch 
Zeichen, anzugeben, wozu sie gebraucht werden; die Orientierung im 
früher wohlbekannten Raum oder unter seinen Sachen kann ihm un— 
J 
1 
1135) G. E. Müller, s. 43 f. 
110) Ebenda s. 111, vgl. auch s. 112 — 
110) Es sind indes auch Fälle beobachtet worden, in denen halluzinationen nur 
auf einem Auge vorhanden waren; vielfach treten auch Halluzinationen gleichzeitig 
in mehreren Sinnesgebieten (namentlich in Gesicht und Gehör) auf.
	        
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