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Physiologische Bedingungen des menschlichen Selbstbewußtseins. 567
tretenen Gedankengang eintss). Daß starke unbewußt gewordene Trieb⸗
komplexe bei vielen psfychischen Krankheiten mitspielen, ist heute eine
weit verbreitete und gut begründete Annahme, und auch die Zusammen⸗
schmelzung solcher Affeltzustände mit motorischen Erregungen wird nicht
bestritten. Den interessantesten, freilich auch umstrittensten Bestandteil
der Freudschen Theorie bildet die VDerbindung jener Komplexe mit dem
Ichbewußtsein und der tastende Versuch, letzteres aus infantilen Wurzeln
heraus sich sublimieren zu lassen. Auf alle Fälle ist hier der Versuch
gemacht, neben der Psychologie des Bewußtseins eine Tiefenpsychologie
zu begründen, die die unbewußt, aber darum nicht unwirksam gewor—
denen Wurzeln der bewußten Strebungen und Hhemmungen des be—
wußten Lebens zu erfassen versucht.
Daß wir das Bewußtsein um uns selbst nicht stets haben, und zwar
nicht nur in tiefen Schlaf- und in pathologischen Zuständents;), sondern
auch in der Selbstvergessenheit intensiver geistiger Arbeit, ist bekannt;
allerdings bedarf es in diesem Falle nur der geringsten Anregung, um
uns wieder unsrer selbst inne werden zu lassen. Lehrreich ist das Er—⸗
gebnis der Selbstbeobachtung bei langsamer Narkose von Karl CLudwig
Schleichiss). Er fand, daß die ersten Schichten, die durch das Narkotikon
gehemmt werden, diejenigen sind, welche die Orientierung in Zeit und
Raum vermitteln; dann folgt die Kausalität. Weiter sinken die Sinne
ab; erst mit dem Aufhören aller Phantasie- und logischen Vorstellungen
verschwindet, etwa an zehnter Stelle, das Ich in das Meer der VDer⸗
gessenheit und Versunkenheit. Dann erst hören die Tätigkeiten der nie—
dern Zentren auf; zuerst tritt das bisher nur abgedämpfte Schmerzgefühl
in einen Lähmungszustand, dann folgen Reflexe und Instinkte. Den
Abschluß würde die Lähmung der Atmung und der herztätigkeit machen.
Das hier erwähnte „Ich“ ist freilich nicht mehr das menschliche, hoch—
entwickelte Selbstbewußtsein, sondern nur das triebmäßige Anfangs-
glied in der Keihe tierischen Bewußtseins. Seiner Inhalte und Kräfte
beraubt, auf seinen primitiven Anfang zurückgedrückt, wird das Ich in
der Hypnose (die gerade bis zu dieser Schicht herabreicht) zum automa⸗
tischen Reflexorgan eines fremden Willens. Der Somnambule, der ohne
Ichbewußtsein herumgeht, entnimmt jedem Mondstrahl, jedem Geräusch
im Zimmer ohne weiteres Befehle zum automatischen Handeln. Ein
1383) Vgl. z. B. Jul. hampe, der (über den Schwachsinn 07, s. 30) die
höheren ethischen Gefühle mit dem Geschlechtstrieb wesentlich verbunden denkt.
134) M. Dessoir, Das Doppel-Ich 2. A. 96; F. P. Schilder, Selbstbewußtsein u.
Persönlichkeitsbewußtsein 04.
130) Bewußtsein und Unsterblichkeit 20, 8. 43 ff., 565 ff., 93 ff.