570 Der religiöse Wert des naturwissenschaftlichen Weltbildes.
könneniss). Es muß also daran festgehalten werden, daß bis in die
höchsten geistigen Ceistungen hinauf (ja hier in besonderem Maße)
Physiologisches und Psychisches in untrennbarem Zusammenhange stehen.
VI. Der religiöse Wert des naturwissenschaftlichen
Weltbildes.
1. Die Welt der heutigen Physik in religiöser Beleuchtung.
Nachdem wir den langen und nicht immer bequemen Weg durch
die naturwissenschaftliche Erkenntnis von Welt und Mensch zu Ende ge—
gangen sind, bleibt die Frage nach der Bedeutung dieser Erkenntnis für
Glauben und Leben der Christenheit zu beantworten. Die gleichen Pro⸗
bleme, die uns auf unserm Gange durch die Geschichte der Keligion und
des Christentums entgegentraten, werden von neuem und in neuer Ge—
stalt eine Beantwortung oder, wenn sie unbeantwortbar bleiben müssen,
wenigstens eine Umgrenzung verlangen. Aber ehe wir den Kreis der
Einzelprobleme unter dem Gesichtspunkt erwägen, was hier auf Grund
der neuen Welterkenntnis in verändertem Cichte sich darstellt und eine
veränderte Behandlung erfordert, müssen wir versuchen, einen Gesamt—
eindruck davon zu gewinnen, wie sich Welt und Mensch, im CLichte der
heutigen Erkenntnis gesehen, ausnehmen, wenn wir sie im Spiegel
des christlichen Glaubens betrachten. Daß die heutige Erkenntnis
sehr anders aussieht als zur Zeit des Urchistentums und der Alexan—
driner oder auch des Kopernikus und selbst erheblich anders als in der
Epoche, in welcher Darwin und Häckel ihre Anschauungen ausbildeten,
ist deutlich gezeigt, aber damit ist über das Verhältnis der heutigen wis—
senschaftlichen Gedanken zu denen des Glaubens noch nichts ausgemacht;
denn diese beanspruchen, obwohl in längst vergangenen Zeiten erstmals
schriftlich fixiert und demgemäß eingekleidet in Vorstellungen einer
längst dahingeschwundenen Kultur, nicht minder erlebbaren Gegen—
wartswert als die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse. Nicht mit
falsch verstandenen Keminiszenzen der Vergangenheit, sondern mit dem
christlichen Glauben, wie er in der wissenschaftlichen Theologie der Ge—
genwart vertreten wird, ist die heutige naturwissenschaftliche Erkenntnis
zu vergleichen.
iae) vgl. meine Abhandlung über „Pfnchiatrie und Ethik“ (Festschrift für
Th. haering; auch separat) 18.